Der Personenkult um Chinas Staatschef Xi Jinping (links) ist fast so groß wie der um den verstorbenen KP-Chef Mao Tsetung Foto: AP

Chinas Staatschef Xi Jinping wird Diktator. Das hat negative Folgen auch für Deutschland, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart - Angesichts der Springflut an Nachrichten zur ewigen Regierungsbildung in Deutschland oder zum dramatischen Wahlausgang beim europäischen Nachbarn Italien fällt es leicht zu übersehen, was derzeit in China vor sich geht. Ganz sprichwörtlich nach dem Motto: Was kümmert es, wenn in China ein Sack Reis umfällt? Doch das rote Riesenreich setzt gerade den wichtigsten Umbau seines politischen Systems in den vergangen 35 Jahren ins Werk: Chinas Pseudo-Parlament, der Volkskongress, hebt die Amtszeit-Begrenzung von Staatschef Xi Jinping auf. Der kann jetzt also solange an der Macht bleiben, wie er will, wird Diktator auf Lebenszeit.

Dass das für deutsche Politiker wie Unternehmensvorstände und Investoren weitreichende Folgen hat, liegt auf der Hand. Beispielhaft dafür hat der Stuttgarter Daimler-Konzern jüngst erst mit dem immer aggressiver agierenden China unangenehme Bekanntschaft gemacht: Als sich der neue chinesische Großaktionär Li Shufu vom Autobauer Geely über die Hintertür zum größten Aktionär einschlich. Und kurz davor, als sich Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Kotau bei Chinas Regierung gezwungen sah, weil Mercedes beim Bilderdienst Instagram den Dalai Lama zitiert hatte. China ist ein wichtiger Markt. Das gilt für Deutschlands stolzesten Autohersteller genauso wie für Computerriesen wie Apple. Aber es ist keine freie Marktwirtschaft. Gemäß dem Plan „Made in China 2025“ verfolgt es strategische Ziele und bedient sich zunehmend auch der Wirtschaft als Instrument staatlicher Macht.

Rolle rückwärts

Deng Xiaoping wird gemeinhin als Gründervater der Wirtschaftsreformen gefeiert. Doch war er es auch, der 1982 die Amtszeit-Begrenzung für Präsident und Vize auf zweimal fünf Jahre in der Verfassung verankern ließ. So schuf er, der die Wirren der Mao-Jahre aus eigener Anschauung gut kannte, die Basis für ein einzigartiges Modell: eine Diktatur mit Amtszeit-Begrenzung, das atemberaubende wirtschaftliche Erfolge hervorbrachte. Seit 1978 hat Chinas Nationaleinkommen im Durchschnitt fast zehn Prozent zugelegt. Das war gut für China und für all diejenigen, die mit dem Land Handel treiben.

Jetzt aber die Rolle rückwärts: Kein Führer seit Mao Tsetung hat so viel Macht auf sich vereint wie Xi Jinping. Dafür hat er seit Jahren den Boden bereitet: Im Zuge einer Anti-Korruptionskampagne wurde er potenzielle Rivalen los. Armee und Polizei organisierte er komplett neu und sicherte sich so den Durchgriff. Zudem lässt er jede Kritik an Partei und Staat schon im Keim ersticken. Dazu passt, wie die China-Expertin Samantha Power ausführt, dass Peking mit Hilfe der Digitalisierung an einem Sozialkredit-System zur Totalkontrolle der Chinesen arbeitet. Und Xi verfolgt auch eine aggressivere Außenpolitik. Die USA sollen als Ordnungsmacht aus Asien vertrieben werden und auch in der EU nimmt Peking über seine Seidenstraßen-Initiative Einfluss.

Noch mehr Instabilität

Sind das schon die Vorboten einer von China dominierten neuen Weltordnung? Vielleicht. In jedem Fall hilft es Peking, dass die westlichen Demokratien, allen voran die USA, tief in einer Vertrauenskrise stecken. In einer idealen Welt würde der Westen geschlossen Chinas Expansion entgegentreten. Stattdessen untergräbt US-Präsident Donald Trump mit dem drohenden Handelskrieg die liberale Weltordnung, die er eigentlich verteidigen müsste. Um dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu begegnen, muss der Westen bei Investitionen aus China viel genauer hinschauen. Xi Jinpings Griff nach der Macht bedeutet für China eine neue Ära. Und für die Welt noch mehr Instabilität.