„Sully“ sieht die amerikanischen Werte in Gefahr. Foto: AP

Vor zehn Jahren gelang Chesley Sullenberger auf dem Hudson River in New York eine historische Notlandung. Der Pilot wurde zum Volksheld. Jetzt macht er sich Sorgen um sein Land.

New York - Seine Popularität hatte Chesley Sullenberger nie so richtig behagt. Der „Held vom Hudson River“ beschrieb den Medienrummel, der vor zehn Jahren über ihn hereingebrochen war, als noch traumatischer als jene sensationelle Notlandung, die er mit einem Airbus am 15. Januar 2009 in New York hingelegt hatte.  

Doch im vergangenen Herbst suchte er von sich aus die Öffentlichkeit und meldete sich aus seinem kalifornischen Ruhestand zurück. Er sehe es als seine Pflicht an, seine Stimme zu erheben, schrieb er in der „Washington Post“. In der derzeitigen Lage des Landes müsse er seine tiefsten Überzeugungen deutlich machen.  Ohne Namen zu nennen beklagte er den Verfall der politischen Kultur und die Korruptheit der Führung in Washington. „Die Leute in Machtpositionen handeln gegen die Interessen der USA, unserer Verbündeten und der Demokratie und sie gefährden die Bewohnbarkeit unseres Planeten. Dies ist nicht das Amerika, das ich kenne und liebe.“

Eigentlich ein Konservativer

Seine Kritik an den derzeit Mächtigen in Washington stach ganz besonders, weil „Sully“ sich als Konservativen bezeichnet. Nichts an dem heldenhaften Flieger des US-Airways-Flugs 1549 ist links oder progressiv.   Chesley Sullenberger wuchs als Sohn eines Landzahnarzts in Texas auf, sein Vater hatte im Zweiten Weltkrieg gedient. Der, so Sully, habe ihm den Wert von Disziplin und Anstand eingeflößt. So war es kein Wunder, dass Sullenberger sich während des Vietnamkriegs freiwillig zur Luftwaffe meldete und als Ausbilder arbeitete.

40 Jahre später kam für ihn der Tag der Bewährung. Der 15. Januar 2009 begann für Sullenberger wie ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. Er sollte am La-Guardia-Flughafen in New York einen Airbus übernehmen, um ihn nach Seattle zu bringen.  Reine Routine. Um 15.24 Uhr bekam er aus dem Tower die Meldung „Ready for Take-off“.   Zwei Minuten später schwebte der Airbus an einem glasklaren Wintertag über Manhattan. Keine 30 Sekunden später sind auf der Tonaufzeichnung aus dem Cockpit jene dumpfen Einschläge zu hören, die dem Flug UA 1549 beinahe zum Verhängnis wurden. Sieben Sekunden lang hört man, wie die Körper eines Schwarms kanadischer Gänse gegen das Cockpit prallen.

Eiskalt gelandet

Die folgenden Aufzeichnung dokumentieren eine fast schon unheimliche Kaltschnäuzigkeit und Professionalität. Mit Klarheit und Gelassenheit traf Sullenberger Entscheidungen, um die Maschine, ihre Insassen und die Bevölkerung der am dichtesten besiedelten Region der USA zu schützen. Beide Motoren der Maschine waren ausgefallen. Eine Rückkehr auf den La-Guardia-Flughaben kam nicht mehr infrage. Sullenberger entschied sich für eine Notwasserung. Um 15.31 Uhr setzt der Flieger beinahe sanft auf der eisigen Wasseroberfläche auf.  

Am Abend kennt das ganze Land den Namen Sully. In den nächsten Wochen wandelt er von Talkshow zu Talkshow. Der noch amtierende Präsident Bush ruft ihn an, der frisch gewählte neue Präsident Obama lädt ihn samt seiner Crew zur Amtseinführung in Washington ein. Sully ist der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt für Amerika. Das Land steckt noch immer tief in einer Wirtschaftskrise und hat einen langen, erbitterten Wahlkampf hinter sich, der die Nation zerrissen hat.

Seitdem steht Sully für die alten Werte des Landes: Pflichtgefühl, Integrität, Selbstlosigkeit. Und die Art und Weise, wie er seinen Ruhm einsetzt, zementiert diesen Stellenwert. Kurz nach seiner Heldentat protestierte er vor dem Kongress gegen die schlechte Bezahlung der Fluglinienangestellten.

Ganz unberührt von dieser Sehnsucht scheint nicht einmal Trump zu sein. Ganz entgegen seiner Gewohnheit, Kritiker in den Boden zu stampfen, ist er angesichts von Sullys Kritik stumm geblieben. Der Held vom Hudson scheint unantastbar.