Zehn Jahre lang war Klaus Deller Chef von Knorr-Bremse. Nun musste der erfolgreiche Manager ohne Vorwarnung den Hut nehmen.
München - Vor sieben Monaten hat er den mit einem Volumen von fast vier Milliarden Euro zweitgrößten Börsengang des Jahres 2018 in Deutschland gemanagt. Nun ist Klaus Deller als Chef des Münchner Bremsenspezialisten Knorr-Bremse völlig überraschend weg.
Sein bei einer Sitzung des Aufsichtsrats beschlossener Abgang mit sofortiger Wirkung trägt Züge eines Rauswurfs. Geordnet ist der Vorgang erkennbar nicht, denn es fehlt ein Nachfolger, der nun gesucht wird.
Unterschiedliche Auffassungen
Einstweilen managen Dellers drei Ex-Kollegen im Vorstand das Unternehmen und übernehmen dessen Aufgaben gemeinschaftlich, erklärte der von der Milliardärsfamilie Thiele dominierte Konzern. Die Begründung für den Rauswurf lässt tief blicken. „Grund für das Ausscheiden von Herrn Deller sind unterschiedliche Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit“, teilt Knorr-Bremse dazu mit, bleibt weitere Erklärungen aber schuldig.
Im Unternehmen wird das Gerücht gestreut, Deller hätte sich mit seinen drei Vorstandskollegen Ralph Heuwing, Peter Laier und Jürgen Wilder überworfen und deshalb den Hut nehmen müssen. Klar widersprochen wird der Variante, sein Abgang habe mit allzu rüdem Vorgehen gegenüber der Belegschaft zu tun.
Im Clinch mit der Belegschaft
Am nordrhein-westfälischen Standort Wülfrath liegt das Personal mit dem Management im Clinch. Es fühlt sich zu Mehrarbeit erpresst, fürchtet Stellenabbau oder eine Verlagerung der Aktivitäten ins Ausland und droht deshalb mit der Kündigung eines schon bestehenden Sanierungstarifvertrags. Auf diese Weise von Knorr-Bremse gesparte Löhne und Gehälter sollen notfalls gerichtlich zurückgefordert werden, wurde jüngst auf einer Mitarbeiterversammlung beschlossen. Es ist nicht das erste Mal, dass Knorr-Bremse sich auf vergleichbare Weise mit Teilen der Belegschaft anlegt. „Wülfrath hat nichts mit Dellers Ausscheiden zu tun“, sagt allerdings ein Insider.
Wenig wahrscheinlich ist allerdings auch ein Zerwürfnis mit Vorstandskollegen als Scheidungsgrund. Bei Streit mit hierarchisch Untergeordneten muss in der Regel nicht der Boss gehen, womit als wahrer Grund für Dellers Abgang nur eine Variante bleibt. Alles deutet auf Heinz Hermann Thiele. Ein offizielles Amt im Konzern hat der langjährige Boss und alles dominierende Vertreter der Unternehmerfamilie nicht mehr. Das Sagen in entscheidenden Fragen wie dem Posten des Vorstandschefs hat der 78-jährige aber immer noch und auch ein Büro in der Firmenzentrale. Das liegt direkt neben dem nun verwaisten von Deller.
Aufsichtsratschef Klaus Mangold versucht unterdessen die Wogen zu glätten. „Ich danke Klaus Deller im Namen des Aufsichtsrats für die außerordentlich erfolgreiche Arbeit“, meinte er zum Abschied des 57-jährigen, der den Konzern in die zweite Börsenliga des M-Dax geführt hat. Thiele als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsgremiums könnte anderer Ansicht gewesen sein. „Das war nur eine Zweckehe“, sagt ein Branchenkenner zum Verhältnis zwischen Deller und Milliardär Thiele. Ihm und seiner Familie hat der Börsengang von Knorr-Bremse vorigen Herbst um 3,9 Milliarden Euro reicher gemacht.
Unternehmen verliert an Wert
Das Unternehmen ging leer aus. Zugleich liegt bei einem Aktienanteil von gut 70 Prozent die bestimmende Mehrheit weiter bei Thiele & Co. Ohne Echo ist der Abgang Dellers nicht geblieben. Als Reaktion hat der Aktienkurs des Weltmarktführers bei Bremsen für Züge und Lastwagen um zeitweise fast sieben Prozent nachgegeben, notiert aber weiter deutlich über dem Ausgabekurs vom Herbst vorigen Jahres.
Der Aufsichtsrat stehe uneingeschränkt hinter der erfolgreichen Strategie des Unternehmens, das 2019 voll im Plan liege, erklärte das Gremium zu Dellers Ausscheiden, um Druck von der Aktie zu nehmen. Ganz gelungen ist das nicht. Nun muss möglichst schnell ein Nachfolger her, der mit Thiele kann. Denn Deller ist schon der dritte Chef von Knorr-Bremse, der unter seltsamen Umständen gehen musste.