Monica Diac ist Chefärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Krankenhaus Leonberg. Frauen sind in Führungspositionen in Krankenhäusern eher selten – ist das in der Gynäkologie anders?
Wo Monica Diac arbeitet, beginnt das Leben. Im Kreißsaal drei zum Beispiel, dessen Einrichtung in Rot gehalten ist und wo bunte Tücher von der Decke hängen. Wenn hier ein Kind auf die Welt kommt, ist das nicht nur für die werdenden Eltern eine besondere Erfahrung, sondern auch für das Personal, weiß Monica Diac. „Die Geburt ist ein sehr spezielles und emotionales Erlebnis.“ Diac ist Chefärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Krankenhaus Leonberg. Zur aktuellen Diskussion über den Fortbestand der Gynäkologie am Krankenhaus Leonberg möchte sie sich nicht äußern.
Dass Frauen wie Monica Diac in Führungspositionen von Kliniken arbeiten, ist bislang eher selten. Am Krankenhaus Leonberg gibt es neben ihr nur eine weitere Frau in der Chefetage, Barbara John, Chefärztin für Gastroenterologie und Onkologie. Die beiden machen damit einen Frauenanteil von 22 Prozent aus. Das ist die höchste Quote im Klinikverbund Südwest, zu dem der Leonberger Standort gehört. Auf alle Standorte gerechnet beträgt der Anteil der Chefärztinnen etwa 16 Prozent.
Diac sammelte erste Erfahrungen in England
Dass sie heute in einer Führungsposition arbeite, habe sich „einfach so ergeben“, erzählt Diac. Sie studierte in ihrer Heimatstadt Iasi in Rumänien. Praxiserfahrung sammelte sie bei ihrer Famulatur in Oxford, arbeitete in England dann drei Jahre als Assistenzärztin in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen – auch er ein Arzt und aus Rumänien. 2003 zog die Familie nach Heilbronn. Nach Stationen am Klinikum am Plattenwald in Bad Friedrichshall und am Klinikum Crailsheim kam sie 2019 als Chefärztin nach Leonberg.
Als Frau in der Chefetage sei vor allem Authentizität wichtig. „Ich glaube, es ist nicht von Vorteil, wenn man versucht, zu wirken oder zu handeln wie die Männer und aggressiver auftritt oder auf den Tisch haut“, erläutert sie. Sie selbst strahlt Ruhe aus, wirkt besonnen. „Ich sehe mich nicht als Chef, der sagt, wo es langgeht und alle müssen machen, was ich sage, sondern eher in der Fürsorgepflicht“, sagt die 49-Jährige. Man müsse sehr auf die Mitarbeiter achten und sie „abholen“. Das sei nicht immer leicht. „Führung ist für mich ein ständiger Lernprozess.“ Dafür, dass nur wenige Frauen Chefärztin werden, macht Monica Diac vor allem die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie verantwortlich. Sie selbst hat damit Erfahrung: Sie hat zwei Töchter. Alles unter einen Hut zu bekommen, sei nicht leicht gewesen. „Ich habe als Oberärztin auch eine Weile in Teilzeit gearbeitet, als die Kinder klein waren“, sagt sie.
Schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Als Chefärztin jetzt habe man nicht nur viel Verantwortung, sondern auch lange Arbeitszeiten. „Man hat eigentlich gar keine festen Arbeitszeiten, ich bin immer telefonisch erreichbar“, erzählt die 49-Jährige aus ihrem Alltag. Sie meint, dass sich Frauen im Berufsleben nicht so viel zutrauen würden: „Ich denke, dass Frauen öfter als Männer Selbstzweifel haben und selbstkritischer sind, obwohl sie genauso qualifiziert sind.“
Mehr Chefärztinnen in der Frauenheilkunde
Und wie ist es in der Frauenheilkunde? Gibt es dort mehr Frauen in Führungspositionen? „Ich denke schon. Ich kenne viele Kolleginnen, die Chefärztinnen in der Gynäkologie sind“, erzählt Diac. Dass mehr Frauen den Weg in die Chefetage finden, liege daran, dass sich viel mehr Ärztinnen für dieses Fach entscheiden. Dieses sei sehr vielfältig – von der Reproduktionsmedizin, über Pränatalmedizin bis zur Onkologie.
Wie die Zahlen der Ärztestatistik der Bundesärztekammer für das Jahr 2022 zeigen, sind etwa 19400 Mediziner in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig, knapp 14 000 von ihnen sind Frauen. Es ist das Fach, in dem Fachärztinnen am dritthäufigsten arbeiten – nach der Inneren Medizin und der Allgemeinmedizin. Auch das Team von Monica Diac ist überwiegend weiblich, es gibt nur einen Facharzt.
In der Gynäkologie fühlen sich Frauen manchmal bei einer weiblichen Chefärztin wohler, weiß Monica Diac: Bei Themen wie beispielsweise Inkontinenz erlebe sie es, dass sie sich schämen und froh sind, wenn sie von einer Frau behandelt werden. „Das sind sensible Themen. Die Frauen können sich dann eher öffnen.“ Aber eigentlich spiele das Geschlecht für den Posten als Chefarzt keine Rolle: „Die Empathie und die fachliche Qualifikation sind viel wichtiger, egal ob Mann oder Frau“, sagt die Chefärztin.
Führungspositionen sollen keine Männersache bleiben
Trotzdem würde es Diac befürworten, wenn mehr Frauen Führungspositionen in der Medizin einnehmen würden: „Das war bisher die Domäne der Männer und das muss absolut nicht sein. Ich denke nicht, dass Männer zwangsläufig besser führen.“ Das Bild wird sich ihrer Meinung nach aber ohnehin ändern: Im Wintersemester 2021/2022 waren laut Statistischem Bundesamt zwei Drittel der Studierenden der Humanmedizin weiblich. Um sie in die Chefetage zu bekommen, brauche es mehr Flexibilität. „Ich glaube, dann würden sich mehr Frauen dafür entscheiden“, ist Diac überzeugt. Das könnte so aussehen, dass sich zwei Frauen eine Chefarztstelle teilen – ein Modell, das es ihr zufolge bereits in Norddeutschland gibt. Das würde vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern.
Frauen in Führungspositionen
Die Serie
Im Krankenhaus, im Maschinenbaubetrieb, im Rathaus: Wir porträtieren in einer Serie Frauen, die auf der Karriereleiter ganz nach oben geklettert sind. Dass Frauen in der Chefetage nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind, zeigen die Zahlen.
Die Zahlen
Laut der Online-Plattform Statista beträgt im Jahr 2023 der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland gerade mal 24 Prozent. In Baden-Württemberg sind es 22,2 Prozent. Nur in Bremen sieht es mit 19,5 Prozent noch schlechter aus. An der Spitze: Brandenburg mit 29,5 Prozent.