Als Chef der EU-Investitionsbank hat Werner Hoyer (l.) eine Schlüsselrolle beim Projekt von Jean-Claude Juncker (M.), die privaten Investitionen anzukurbeln. Rechts Kommissionsvize Jyrki Katainen. Foto: EPA

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die privaten Investoren aus der Reserve locken. Auch im Südwesten laufen Projekte an. So wird die Autobahn zwischen Heidelberg und Stuttgart mit Geld aus Brüssel verbreitert.

Brüssel - - Herr Hoyer, die Europäische Investitionsbank (EIB) hat eine Schlüsselrolle, die Investitionen in Europa anzukurbeln. Der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (auch Juncker-Fonds genannt) will mit dem Angebot günstiger Kredite bis 2018 private Investoren aus der Reserve locken. Wo steht die EIB, nachdem der Juncker-Fonds seit einem Jahr läuft?
So richtig arbeiten wir erst seit neun Monaten. Bei der Kürze der Zeit sind wir heute aber sehr viel weiter als zunächst gedacht. Ich schätze, dass wir von den Investitionen in Höhe von 315 Milliarden, die wir binnen drei Jahren lostreten wollen, heute schon ein Drittel angeschoben haben. Sicher sind die Projekte von kleineren Unternehmen schneller auf den Weg gebracht worden als Großprojekte. Diese haben naturgemäß einen längeren Vorlauf. Die Pipeline ist aber auch bei den großen Projekten voll.
Worin besteht das Besondere des Juncker-Plans?
Es geht darum, Investitionen auszulösen, die ein zusätzliches Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro ausmachen. Ein Teil des EU-Budgets, nämlich 16 Milliarden Euro, wird nicht mehr für Subventionen genutzt, sondern als Garantien für Kredite, die die Unternehmen sonst nicht bekommen hätten. Das ist ein echter Paradigmenwechsel. Die Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva nennt es „better spending“ – das Geld sinnvoller ausgeben.
Aus dem Parlament wird kritisiert, dass gar nicht zusätzliche Investitionen angestoßen werden, sondern ohnehin geplante Investitionen nun eben über den Juncker-Fonds laufen. . .
Man darf nicht vergessen: Der Juncker-Fonds ist integraler Bestandteil der Europäischen Investitionsbank. Richtig ist, dass wir heute Kreditgarantien geben, wo die Kommission früher Subventionen verteilt hat. Wir haben auch bisher schon Risiko behaftete Investitionen gefördert, die uns im Hinblick auf Forschung und Entwicklung besonders sinnvoll erscheinen. Aber die Garantiefazilität ermöglicht uns jetzt, in mehr Projekten mehr Risiko zu übernehmen, um damit den Weg für private Investoren in diese Projekte zu ebnen. Dafür hatten wir früher im Jahr nur fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Mit dem Juncker-Fonds haben wir ein größeres Spektrum und mehr Spielraum, wir erreichen jetzt bis zu 25 Milliarden. Das ist ein Quantensprung.
Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold kritisiert, dass in der Projekt-Liste Straßenbauprojekte sind, obwohl sozial-ökologische Maßstäbe mit dem Parlament vereinbart waren. So soll die Autobahn zwischen Heidelberg und Stuttgart auf einer Länge von 25,5 km verbreitert werden. . .
Herr Giegold hat insofern Recht: Die Zeiten der altbackenen Straßenbauförderung sind vorbei. Das heißt aber nicht, dass man heute keine Straßen mehr bauen darf. Vor allem ist es sinnvoll, Engpässe zu beseitigen. Schauen Sie sich die Lage in NRW an, wo Lastwagen wegen maroder Rheinbrücken lange Umwege fahren müssen oder stundenlang im Stau stehen. Der ökologische Schaden daraus ist enorm. Da wird ökologisch und ökonomisch Fortschritt erzielt, wenn gebaut wird. Die Finanzierung der Verkehrswege über öffentlich-private Partnerschaften ist dabei der richtige Ansatz.
Obwohl die EIB viele Kredite anstößt, ist die Investitionstätigkeit in Europa immer noch sehr zögerlich. Woran liegt das?
Abgesehen vom Juncker-Fonds stimmt die Analyse. Die Investitionstätigkeit ist schwach, Banken und Pensionsfonds nehmen eher Negativzinsen in Kauf, anstatt das Geld innovativen Unternehmern zu geben. Das ist ein Prozess, der uns große Sorgen macht. Die anhaltende Niedrigzinsphase ist zu einer Zinsfalle geworden. Niedrigere Zinsen lösen nicht mehr höhere Investitionen aus. Umso wichtiger ist hier der Juncker-Plan, weil sonst riskante, aber lohnende Projekte gar nicht mehr finanziert würden. Die EIB allein kann es aber nicht wuppen. Was wir brauchen, ist vor allem ein investitionsfreundlicheres Regulierungsumfeld.
Es gibt schon Forderungen, den Juncker-Plan über 2018 hinaus zu verlängern, ist das sinnvoll?
Wir haben uns erst einmal drei Jahre vorgenommen. Ich bin in hohem Maße besorgt, weil die Investitionsmaschine in Europa nicht richtig in Gang kommt. Vor allem an der Schnittstelle zwischen Investition und Innovation passiert zu wenig. In Deutschland zum Beispiel hapert es an der flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet. Insofern verwundert es nicht, dass jetzt über eine Verlängerung nachgedacht wird.
Was macht die EIB im Rahmen des Juncker-Fonds in Deutschland?
Wir schieben gerade bei Heidelberger Druckmaschinen eine sehr interessante Innovation an. Das Unternehmen hat ja durchaus wirtschaftlich schwierige Zeiten durchgemacht. Heideldruck geht jetzt in die Offensive bei der Digitalisierung. Softwareintegration und Ausbau des Digitaldruckportfolios. Dieses Projekt verspricht großen Mehrwert für einen wichtigen Industriebereich. Forschung und Entwicklung am deutschen Standort werden gestärkt, kleine und mittlere Unternehmen sind eingebunden und profitieren. Ein anderes Beispiel: Wir reden mit Bundesländern über die Finanzierung von Wohnungen. In Berlin und in anderen Bundesländern zum Beispiel geht es um Wohnraum für Studenten und sozial benachteiligte Menschen, auch für Flüchtlinge.
Themenwechsel: England stimmt bald über den EU-Austritt ab. Das Brexit-Lager hat ein Punkte-System für den Zuzug von EU-Ausländern vorgelegt. Was sagen Sie dazu?
Ich will mich in die Debatte in Großbritannien nicht einmischen. Ich bin aber betroffen, wie leichtfertig mit großen Errungenschaften der europäischen Integration wie etwa der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit umgegangen wird. Dies gilt nicht nur für Großbritannien. Natürlich ist die Entscheidung über Verbleib oder Austritt aus der EU die souveräne Entscheidung der Briten. Ich bin aber überzeugt, dass ein Ausscheiden Großbritanniens ein gewaltiger Verlust für Europa wäre. Gerade aus deutscher Sicht.
Angenommen, das Königreich bleibt. Können Sie sich da noch eine weitere Vertiefung der EU vorstellen?
Die Stimmung in der EU ist leider eher nach Desintegration als nach Integration. Derzeit bin ich schon zufrieden, wenn es keine Rückschritte gibt. Meine Hoffnung ist: Wenn Großbritannien bliebe, könnten die negativen Kräfte einen Dämpfer erfahren. Dennoch glaube ich nicht, dass damit die Integrationsmaschine sofort wieder anspringen wird. Europa hat in der Vergangenheit in Krisen immer mal zwei Schritte zurück gemacht. Aber unmittelbar danach kamen drei Schritte nach vorn. Das war von den Römischen Verträgen bis heute so. Heute sind wir erstmals in einer Lage, in der ein massiver Rückschritt zu befürchten ist. Das wäre für das Friedensprojekt in Europa und für unseren Wohlstand eine sehr schlechte Nachricht.