Auf dne Cent genau kann das Finanzamt wohl bald sehen, was sich auf den Bankkonten der Deutschen so tut. Foto: dpa

Der internationale Austausch über Kontodaten wird auch für das deutsche Bankgeheimnis Folgen haben, sagt Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Handlungsbedarf sieht er auch bei der Besteuerung des grenzüberschreitenden Online-Handels, die inländische Händler stark benachteilige.

Stuttgart -

Herr Eigenthaler, Konzerne wie Facebook und Google verdienen hier viel Geld mit Daten, zahlen in Deutschland aber kaum Steuern. Ist unser Steuersystem bei Datenkonzernen blind?

Unser Steuerrecht ist sehr stark auf eine nationale Güterwirtschaft ausgelegt. Das kollidiert aber immer mehr mit der internationalen Datenwirtschaft. Wo Gewinne entstehen und wohin sie ohne sachlichen Grund verschoben werden, ist bei solchen Unternehmen sehr schwierig nachzuvollziehen.

Kann ein einzelner Staat diesen Weltkonzernen überhaupt beikommen?

Die Wertschöpfung solcher Konzerne ist heute enorm. Dagegen sind die Steuerbeträge, die letztlich bei den einzelnen Nationalstaaten ankommen, minimal. Das ist ein großes Feld für Steuerflucht, Steuerakrobatik und allerlei Verschiebereien. Hier muss die EU oder besser noch die internationale Staatengemeinschaft tätig werden.

Die Finanzminister der Bundesländer wollen jetzt elektronische Handelsplattformen wie Ebay und Amazon mit in Haftung dafür nehmen, dass die bei ihnen tätigen Händler auch ihre Steuern bezahlen. Ist das ein richtiger Weg?

Das deckt sich mit einem Vorschlag, mit dem die Steuergewerkschaft seit einem Jahr unterwegs ist. Es kann nicht sein, dass Plattformen für ausländische Händler ganze Servicepakete bis hin zu Warenlagern und elektronischer Kunden-Hotline anbieten, von deren steuerlichen Pflichten aber nichts wissen wollen. Wir sagen: Wer als Plattformbetreiber so tief in die Geschäfte verwickelt ist, muss für diese Geschäfte steuerlich mit geradestehen. Ansonsten geht das voll zulasten deutscher Händler, die hier treu und brav ihre Steuern zahlen.

Wie groß ist diese Wettbewerbsverzerrung?

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich zum Beispiel nur rund zehn Prozent der chinesischen Händler in Deutschland steuerlich anmelden. 90 Prozent zahlen nicht die 19 Prozent Umsatzsteuer und können daher entweder die Ware billiger anbieten oder höhere Einnahmen erzielen. Der Staat darf hier nicht länger tatenlos zusehen.

Von Beginn des nächsten Jahres an werden 99 Staaten die Daten über ausländische Finanzkonten untereinander austauschen. Wird das etwas bringen?

Das ist im Grunde ein steuerpolitischer Mauerfall. Dass Staaten wie die Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein einmal auf ihr Bankgeheimnis verzichten würden, hätte vor fünf Jahren niemand für möglich gehalten.

Was bedeutet der Datenaustausch für diejenigen, die in Deutschland ein Konto haben?

Künftig werden die deutschen Finanzbehörden aus dem Ausland über Konten, über Inhaber, Kontostände und Erträge informiert. Im Inland haben wir dagegen nur die anonyme Abgeltungsteuer für Kapitalerträge. Die Banken führen diese ab, doch den Kontostand erfährt der Fiskus nicht. Ein Schwarzgeldkonto im Ausland wird also künftig schneller entdeckt als ein Schwarzgeldkonto im Inland.

Wird sich das im Zuge der Verschärfung der internationalen Regeln ändern?

Es ist anzunehmen, dass die ausländischen Banken bald die Frage aufwerfen werden, warum sie den deutschen Behörden Kontostände mitteilen müssen, während sich die deutschen Banken weiterhin in einem Schutzreservat befinden.

Läuft das darauf hinaus, dass deutsche Banken dem Finanzamt ebenfalls Kontostände und Kapitaleinkünfte ihrer inländischen Kunden melden müssen?

Gleiche Bedingungen zu schaffen würde zum Beispiel bedeuten, die anonyme Abgeltungsteuer für Kapitalerträge abzuschaffen. Die Banken müssten dem Finanzamt dann mitteilen, wer welche Kapitalerträge aus welchem Vermögen erzielt hat.

Lässt sich das überhaupt durchsetzen?

Die Frage ist eher, wie lange sich der heutige Zustand noch halten lässt. Wir haben eine Rechtsordnung, die sehr empfindlich gegenüber allen Formen von Diskriminierung ist. Einen ersten Schritt ist der Gesetzgeber ja bereits Mitte vergangenen Jahres gegangen. Er schaffte eine Vorschrift ab, die den Fiskus seit Jahrzehnten verpflichtete, auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Bank und ihren Kunden Rücksicht zu nehmen. Seit diese Schutzvorschrift entfallen ist, gibt es rechtlich keine Handhabe mehr, inländische Konten anders zu behandeln als ausländische.

Schätzungen zufolge entgehen dem Staat jährlich bis zu zehn Milliarden Euro, weil Bargeldeinnahmen, etwa in der Gastronomie oder im Taxigewerbe, nicht deklariert werden. Muss der Staat hier mehr tun?

Das neue Gesetz schreibt vor, dass in einigen Jahren nur noch Registrierkassen verwendet werden dürfen, bei denen die Umsätze nicht nachträglich manipuliert werden können. Aber es bleibt die riesige Lücke, dass die offene Ladenkasse weiter erlaubt ist. Solange es möglich ist, die Kasse in einer Schublade zu führen, wird Steuerhinterziehung nicht wirksam bekämpft.

Ist es angemessen, Gastwirten und Taxifahrern so genau auf die Finger zu schauen?

Niemand bezahlt gern Steuern, aber jeder will, dass es dabei gerecht zugeht. Arbeitnehmer haben aber oft das Gefühl, die Dummen zu sein, denn ihre Gehälter und Renten werden ausnahmslos ans Finanzamt gemeldet. Umso wichtiger ist es, auch solche Einkünfte vollständig zu erfassen, über die das Finanzamt nicht automatisch informiert wird. Das gilt für Bargeldeinnahmen ebenso wie für Einkünfte, die über Konten im Ausland erzielt werden.

Finanzbeamte kontrollieren ja auch Großunternehmen. Dort stehen ihnen hoch bezahlte Anwälte und Experten gegenüber. Kann der Staat mit seinen Gehältern ausreichend qualifizierte Mitarbeiter für sich gewinnen?

Wenn ein Steuerbeamter nur auf das Einkommen schauen würde, müsste er das Finanzamt sofort verlassen. Seine Kenntnisse würden anderswo viel besser bezahlt werden. Aber wir haben ja auch ein Berufsethos. Wir haben einen Eid geschworen, dass wir dem Staat und der Gemeinschaft dienen und für Steuergerechtigkeit sorgen. Viele leiden geradezu unter den großen Vollzugsdefiziten, die wir im deutschen Steuersystem haben, aber unter dem Strich ist unser Berufsethos stärker.

Viele Branchen in der Wirtschaft haben Nachwuchsmangel. Kann der Fiskus genügend Leute für sich gewinnen?

Wir können keine Millionäre werden, aber wir leisten eine fachlich hoch anspruchsvolle Arbeit. Die Politik muss jedoch darauf achten, dass dieser Dienst interessant bleibt. Gerade die Bezahlung am Anfang des Berufslebens ist für viele ein wichtiger Vergleichsmaßstab. Die Eingruppierung zum Berufsstart ist im Steuerbereich heute aber nicht höher als vor 40 Jahren. Das ist nicht mehr wettbewerbsfähig, denn auch Steuerberatungskanzleien und Unternehmen haben einen ständigen Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs. Wir sehen mit großem Missfallen, dass manche einfach Leute abwerben, die der Staat zuvor auf Kosten der Steuerzahler ausgebildet hat. Aber durch ordentliche Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung kann der Staat hier wirksam gegensteuern.