Der Kioskbetreiber Ulrich Berner hat sich gegen die Räumungsklage gewehrt – mit Erfolg. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Dem Pächter der beiden Tabak- und Zeitungsverkaufsstellen am Charlottenplatz ist zu Unrecht gekündigt worden, befand jetzt das Landgericht Stuttgart, und hat die Räumungsklage zurückgewiesen. Die Kläger gehen in Berufung.

Seit mehr als einem Jahr gibt es Streit über die Verpachtung der beiden Kioske am Charlottenplatz. Jetzt hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart die Räumungsklagen gegen die beiden Kioske als unbegründet abgewiesen.

Seit 1993 ist Ulrich Berner auf der ersten Ebene der Stadtbahn-Haltestelle neben dem SSB-Kundencenter Pressehändler, im Jahr 2006 übernahm er auch den Kiosk auf der gegenüberliegenden Seite. Obwohl die Geschäfte dank hoher Publikumsfrequenz gut laufen, ist Berners Pachtvertrag zum 1. Juni 2021 gekündigt worden. Zudem hatte der Verpächter Räumungsklage eingereicht. Berner hat sich gegen Kündigung und Räumungsklage juristisch zur Wehr gesetzt.

Die Preisliste war einer der Gründe des Zwists

Verpachtet werden die Kioske von der Süddeutschen Zeitungszentrale (SZZ) Wilhelm Voigt GmbH. Mit ihr wurden Verträge auf unbestimmte Zeit und mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten geschlossen. Außerdem verpflichtete sich Ulrich Berner, sämtliche im Kiosk angebotenen Tabakwaren und Raucherutensilien von der Firma Paul Stephan, Tabakwaren-Großhandlung GmbH, Stuttgart, zu beziehen, einer Tochtergesellschaft der SZZ. Spätestens ab dem Jahr 2020 entstanden zwischen den Parteien Diskussionen über die Wirtschaftlichkeit der Kioske mit Blick auf die Exklusivbezugsverpflichtung.

Streitpunkt war insbesondere die Preisliste, aufgrund derer der Pächter seine Waren bezogen hat. Ulrich Berner vermutet, dass er vergrault werden sollte, weil er den „wettbewerbswidrigen Knebelvertrag mit der Paul Stephan GmbH“ nicht vollumfänglich eingehalten und sich schließlich geweigert habe, der Klägerin die von ihr angeforderten Umsatzzahlen zur Verfügung zu stellen, hat er zu Protokoll gegeben. Die Preise bei der Paul Stephan GmbH seien „derart marktunüblich überhöht gewesen“, dass der Weiterverkauf der Tabakprodukte für ihn nicht rentabel sei.

Gericht erkennt kein „schutzwürdiges Eigeninteresse“ der Klägerseite

Im Oktober 2021 ist vor dem Landgericht die Räumungsklage verhandelt worden. Am Ende hat der Vorsitzende Richter Marcus Günther einen Vergleich vorgeschlagen. Den aber wollte damals die Klägerin, die SZZ, nicht schließen. Deshalb hat das Landgericht am 25. November 2022 zu einer mündlichen Verhandlung geladen und die Klägerin aufgefordert, ihre Kündigungsgründe darzulegen. Die SZZ führte daraufhin laut Protokoll an, sie habe „ungenehmigte Untervermietungen und faktische Mietübernahmen“ abwehren wollen.

Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass die von der Klägerseite mitgeteilten Kündigungsgründe nicht vorliegen. Auch sei kein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerseite erkennbar. „Die ausgesprochenen Kündigungen sind daher gemäß §§ 241 Abs. 2, 242 BGB rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam“, so das Landgericht.

„Wir sind mit dem Prozessergebnis sehr zufrieden, das Landgericht ist unserer Argumentation gefolgt, dass ein mehrere Jahrzehnte andauerndes Gewerbemietverhältnis vom Verpächter nicht grundlos und nach Gutdünken beendet werden kann und die Betreiber mir nichts, dir nichts vor die Tür gesetzt werden können. Für uns und unsere Mitarbeiter herrscht nun endlich wieder Planungssicherheit“, sagte Ulrich Berner nach der Urteilsverkündung.

Das letzte richterliche Wort ist aber noch nicht gesprochen. „Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt werden“, sagt Sven Bornefeld, Rechtsanwalt der Kanzlei Gaßmann und Seidel und Rechtsvertreter von Ulrich Berner. „Die Gegenseite hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und Berufung eingelegt. Darüber wurden wir vom 5. Zivilsenat des OLG Stuttgart informiert. Die Angelegenheit kann sich damit nochmals um viele Monate (oder sogar Jahre) hinziehen, wie bereits der aktuelle Prozess gezeigt hat.“