Von Harmonie keine Spur: AfD-Chef Bernd Lucke (l.) und Vize Alexander Gauland. Foto: Getty Images Europe

Der brutale Terroranschlag in Frankreich verändert auch die deutsche Innenpolitik. Nur wie? Umstritten ist, wie sich die Parteien zu Pegida verhalten sollen. Ein heißes Eisen – besonders in der AfD.

Berlin - Natürlich verändert der Anschlag in Frankreich auch die politische Situation in Deutschland. Die Frage ist nur: Wie tut er das? Es scheint naheliegend, dass die Pariser Ereignisse die Pegida-Bewegung stärkt – und mit ihr jene politische Gruppierungen, die ihr jedenfalls nicht kritisch gegenüberstehen. Der scheint könnte da allerdings trügen. Das glaubt jedenfalls Matthias Jung, der Chef der Forschungsgruppe Wahlen. Der Demoskop erwartet allenfalls kurzfristig vermehrten Zuspruch zu Pegida. Er meint, bei 60 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland bliebe selbst ein vorübergehendes Anwachsen der Dresdner Proteste auf 50 000 Teilnehmer „ein verschwindend geringer Teil“. Aber auch der AfD traut er nicht zu, nach dem Anschlag dauerhaft stärkeren Zuspruch zu erhalten.

Die AfD ist durchaus nicht einig darüber, wie mit dem Anschlag politisch umzugehen ist. Noch am Abend des Terroraktes war Alexander Gauland, Vize-Vorsitzender der AfD, vorgeprescht und hatte gemeint, diejenigen würden durch die Bluttat Lügen gestraft, „die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht“ hätten.

Gaulands Äußerung hatten heftige Reaktionen ausgelöst. Noch am Donnerstag hatte Volker Kauder, der CDU-Fraktionschef im Bundestag, die Sätze als „schäbig“ bezeichnet. Sein SPD-Amtskollege Thomas Oppermann sah das gestern ähnlich und sprach von „ganz übler Demagogie“.

"Kein Schulterschluss" von AfD und Pegida

Tatsächlich ist auch in den Reihen der AfD selbst Gaulands Reaktion umstritten. Auffallend, dass der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke ganz andere Töne anschlug. Er rief gestern zu „Besonnenheit“ auf. Man dürfe „nicht die Gewalttat zweier Extremisten einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht“.

Das letzte AfD-Wort in dieser Sache ist allerdings auch dies nicht. Die sächsische Parteivorsitzende Frauke Petry berichtete gestern von einem Treffen ihrer Landespartei mit Pegida-Vertretern in dieser Woche. Dabei habe man „inhaltliche Schnittmengen“ festgestellt, beispielsweise „in der Flüchtlingspolitik“. Allerdings werde es „keinen Schulterschluss“ von Pegida und AfD geben. Was allerdings wohl eher an der Pegida-Bewegung selbst liegt, die sich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen will. Petry jedenfalls, so lässt sich folgern, liegt in der Frage des Umgangs mit Pegida, sicher dichter an den Positionen Gaulands. Das könnte noch wichtig werden, denn Gauland und Petry gelten als Widersacher des von ihnen als selbstherrlich getadelten Parteichefs Lucke. Gut möglich, dass die Debatten im Anschluss an den Terroranschlag von Paris Luckes Situation als Parteivorsitzender noch prekärer werden wird.

Aber die AfD ist nicht die einzige Partei, die darum ringt, wie mit den von Pegida aufgeworfenen Themen umgegangen werden soll. Da ist gestern auch in der Union eine Debatte entbrannt. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat den Erlass eines Einwanderungsgesetzes vorgeschlagen.„Wenn wir eine Zuwanderung wollen, die nicht nur arbeitsmarktoptimiert ist, nicht nur temporär, dann müssen wir auch über ein Einwanderungsgesetz reden“, sagte er. Darin könne festgelegt werden, welchen Bedarf es an Zuwanderung gebe und was ein Zuwanderer an Fähigkeiten mitbringen solle. Auch Quoten je nach Bedarf in bestimmten Berufsgruppen könnten festgelegt werden.

Das aber ist nicht nach dem Geschmack der CSU. Deren Chef Horst Seehofer hat die Idee gestern rundweg abgelehnt. Er sagt kühl: „Der Hinweis auf den Fachkräftemangel erfordert kein Einwanderungsgesetz.“Schon heute könne die Wirtschaft „bedarfsgenau“die Arbeitskräfte anwerben, die man brauche. Seehofer verwies darauf, dass viele Staaten, die ein Einwanderungsgesetz hätten, kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf politisches Asyl hätten. Dass dieses Grundrecht in Deutschland vorgehe, sei „mit Blick auf die deutsche Geschichte auch richtig“, sagte Seehofer.