Inna Schuldeschov zeigt ukrainische Designermäntel. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bis Weihnachten präsentieren sich in einem kostenlos zur Verfügung gestellten Laden im Einkaufscenter Gerber ukrainische Modeschöpfer – für den guten Zweck. Das Angebot, so viel ist jetzt schon zu sehen, ist unvergleichlich in der City.

Oft fangen gute Dinge so an: Jemand kennt einen, der jemanden kennt, und der kennt dann die richtige Person. In dieser Geschichte kannten die beiden Ukrainerinnen Lilia Mykytiak und Inna Schuldeschov den Inhaber des Modeladens Ave in der Sophienstraße. Dieser wiederum hatte gute Kontakte zu Melanie Cintean, der Junior-Centermanagerin im Gerber. Entstanden ist daraus ein Herzensprojekt, bei dem sich einer vom anderen mit Leidenschaft und Tatkraft anstecken lässt.

250 Quadratmeter Ladenfläche zum Nulltarif

Und weil das Ganze immer mehr ist als die einzelnen Teile, klingt die sachliche Beschreibung zunächst wenig elektrisierend. Auf einer 250 Quadratmeter großen Fläche im Obergeschoss des Gerbers ploppt von Samstag an bis Weihnachten der Pop-up-Store namens Ornament auf. Das Angebot: Mode von ukrainischen Designern.

Wer sich jedoch die Geschichte hinter der Geschichte anhört, beginnt mit jedem Wort von Inna Schuldeschov mehr zu staunen. Natürlich lässt sich dabei auch der Krieg in der Ukraine nicht ausblenden. Die Gräuel Russlands haben das Charity-Projekt erst notwendig gemacht. Ziel des Ganzen ist, ukrainische Designer und deren Teams vor der Pleite zu bewahren sowie einen großen Teil der Erlöse als Spende für humanitäre Hilfe ins Kriegsgebiet zu schicken. Inna Schuldeschov, die vor 15 Jahren nach Deutschland kam und einen Online-Shop für und mit ukrainischer Designermode betreibt, versichert dabei: „Die Spenden kommen zu hundert Prozent dort an, wo sie gebraucht werden.“ Denn sie weiß, dass sich auch in der Ukraine so manche Gauner die Hilfsbereitschaft von Menschen zunutze machen und Spenden in die eigene Tasche umleiten.

Hilfe für die Organisation SOS-Ukraine

Für den guten Zweck, etwa die Organisation SOS-Ukraine, geben nun alle Beteiligten ihr Bestes. Die Designer stehen tagelang an der Grenze, das Gerber verzichtet auf die Miete, und die beiden Ukrainerinnen schuften Tag und Nacht, um das Ganze bis zum Samstag auf die Beine zu stellen. Für die Designer und ihre Mitarbeiter geht es zudem um Sein oder Nichtsein. „In der Ukraine haben sie derzeit keine Möglichkeit, ihre Waren zu verkaufen“, sagt Inna Schuldeschov , „sie alle haben Kredite abzuzahlen und wollen zudem auch Steuern zahlen, um den Staat zu unterstützen.“

Der Krieg und das Leid eines ganzen Volkes wird bei den Erzählungen von Inna Schuldeschov sehr greifbar. Nicht der Tränen wegen, die sie nicht zurückhalten kann, als sie vom Verschwinden des Mannes ihrer Cousine erzählt. Seit er mit 15 anderen Ukrainern aus einem Keller von den Russen verschleppt worden ist, fehlt jede Spur. Seitdem geistern böse Bilder in den Köpfen der Angehörigen. Sie wissen von den Foltermethoden der Russen. „Die inzwischen freigelassenen Asow-Kämpfer wurden alle kastriert“, sagt Schuldeschov, „davor wurde ihnen Bauschaum in Körperöffnungen gespritzt.“ Dies seien jedoch nur Bruchteile an Grausamkeit, von denen man sich in der Ukraine erzählt.

150 Designer haben Interesse angemeldet

Umso wichtiger sei es laut den drei, Cintean, Schuldeschov und Mykytiak, mit diesem Projekt ein Zeichen der Solidarität und Hoffnung zu senden. „Jede Hilfe zählt“, sagt die Gerber-Managerin Cintean, „es geht nicht nur ums Geld, sondern auch darum, dass die Menschen weiter arbeiten können und so wenigstens ein bisschen normales Leben haben.“ Die Modedesignerin Lilia Mykytiak bestätigt das: „150 Designer haben Interesse gezeigt, 30 schon fest zugesagt, einige Flüchtlinge helfen als Freiwillige im Laden mit.“ Für alle gehe es neben dem Charity-Gedanken nur um eines: „Wir arbeiten alle zusammen für den Sieg über Russland.“

Dafür bieten sie nun in Stuttgart wöchentlich wechselnd neue Kollektionen der Modemacher aus der Ukraine an. Das Angebot, so viel ist jetzt schon zu sehen, ist unvergleichlich in der City. Mit einem derartig breiten Spektrum an Handarbeit, teilweise auch Maßarbeit mit hochwertigen Stoffen in fast allen Stilrichtungen von trendig, extravagant und traditionell dürfte kein üblicher Händler mithalten können. Gerade weil das Warenspektrum fast den Charakter eine Modemesse hat, erhoffen sich die drei Frauen auch, Kontakte zu ansässigen Modehändlern knüpfen zu können. Nicht zuletzt Modeschauen sollen ihnen dabei helfen. „In dieser ganzen Arbeit aller Beteiligten steckt so viel Liebe und Hoffnung“, sagt Inna Schuldeschov, „deshalb hoffe ich, dass sich möglichst viele davon anstecken lassen.“