Fahrgäste im Bahnhofsbereich Foto: dpa

Eine S-Bahn der Linie 2 in Richtung Cannstatt bleibt stecken. Vielen Passagieren reißt nach einer Stunde Wartezeit der Geduldsfaden: Sie steigen eigenmächtig aus – und sorgen so für Chaos im gesamten Bahnhof.

Stuttgart - Ausgerechnet am Eröffnungswochenende des Cannstatter Volksfests hat am Samstagnachmittag ein steckengebliebener S-Bahn-Zug der Linie S 2 für Chaos am Stuttgarter Hauptbahnhof gesorgt. Der voll besetzte Zug war wegen eines technischen Defekts am Triebwagen gegen 14 Uhr mit dem hinteren Teil im Tunnel liegen geblieben, der aus dem Bahnhof heraus auf die Gleisrampe Richtung Bad Cannstatt führt. Hunderte Passagiere saßen zunächst rund eine Stunde fest. Einige Fahrgäste waren schließlich mit ihrer Geduld am Ende: Sie betätigten die Notentriegelung der Wagentüren, sprangen hinaus – und begaben sich damit in Lebensgefahr. Der Bahnhof musste vorübergehend gesperrt und der Zugverkehr eingestellt werden, um die Menschen auf den Gleisen nicht zu gefährden.

Zuvor hatte die für den Hauptbahnhof zuständige Bundespolizei via Twitter die Zugpassagiere vergeblich aufgefordert, Ruhe zu bewahren. Wer auf freier Strecke aussteige, begebe sich „in Lebensgefahr.“ Auch ein Notfallmanager der Bahn bat per Lautsprecherdurchsagen um Geduld. Vergeblich: Mehrere Hundert S-Bahn-Fahrgäste, vielen von ihnen an ihrer Tracht als Volksfestbesucher erkennbar, verließen auf eigene Faust den Zug und suchten über die Gleise zu Fuß einen Weg ins Freie, auch im Tunnel.

Auf offener Strecke auszusteigen ist lebensgefährlich

Der Lokführer der S 2 hatte nach Angaben der Bahn zunächst noch versucht, den Zug erneut zu starten – ohne Erfolg. Der S-Bahn-Verkehr in Stuttgart blieb fast zwei Stunden unterbrochen; erst am späten Nachmittag lief er langsam wieder an. Regionalbahnen und Fernzüge konnten dagegen wenig später wieder fahren.

Der Ausstieg auf freier Strecke im Tunnel ist nicht ohne Risiko: „Wenn Sie innerhalb der Gleisanlagen aussteigen, haben Sie es mit Strom zu tun. Die Oberleitung muss erst geerdet werden, bevor jemand aussteigt“, so eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Weil zudem einige S-Bahn-Passagiere nach dem Aussteigen in die falsche Richtung liefen, sei die Situation für die Sicherheitskräfte sehr unübersichtlich gewesen. Zur Verwirrung trugen offenbar auch widersprüchliche Anweisungen des Bahn-Notfallmanagers bei: „Für Leute, die ausgestiegen sind: Bitte, entgegen meiner vorherigen Ansage, nicht in den Tunnel, sondern die Rampe hoch über die Baustelle. Die Polizei geleitet Sie dann wieder zurück zum Hauptbahnhof.“ Da freilich hatten sich einige Passagiere schon im Tunnel auf den Weg zurück Richtung Hauptbahnhof gemacht.

Keine Ermittlungen gegen Fahrgäste, die den Zug unerlaubt verlassen haben

Den Beamten der Bundespolizei, die mit mehreren Streifen anrückten, gelang es schließlich, Ordnung ins Chaos zu bringen. Sie evakuierten nach und nach alle Wagen und geleiteten die Fahrgäste, die in den stickigen Waggons ausgehalten hatten, über die Gleisrampe. Ein Sprecher der Bundespolizei erklärte gegenüber unserer Zeitung, man werde von sich aus keine Ermittlungen gegen Fahrgäste einleiten, die den Zug unerlaubt verlassen hätten. Dies zu prüfen sei Sache der Deutschen Bahn. Ein Bahnsprecher erklärte dazu: „Das steht für uns nicht im Fokus. Uns ging es um die Sicherheit der Reisenden.“ Der liegengebliebene Zug wurde am späten Nachmittag abgeschleppt.

Auf der S-Bahn-Strecke zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof kommt es wegen der Bauarbeiten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 immer wieder zu technischen Problemen. So fiel am Sonntagvormittag das Stellwerk am Cannstatter Bahnhof aus. Züge der Linien S 1, S 2 und S 3 konnten zunächst nicht in den Cannstatter Bahnhof einfahren. Auch im Stellwerk Waiblingen kam es zu einer Störung, von der die S 1 und S  2 betroffen waren. Nach Angaben der Bahn gab es deshalb Verspätungen und teilweise Zugausfälle, nach zwei Stunden normalisierte sich der Verkehr wieder.