4:0 plus 4:1 macht 8:1: Die Ergebnisse in der Champions League zwischen den deutschen und spanischen Topclubs zeigen auch eine Verschiebung der Fußball-Macht. Foto: Montage/Kruljac

Europa verneigt sich vor dem FC Bayern und dem BVB, in Spanien grassiert die Angst vor der Wachablösung. „Diese Ergebnisse sind sicher mehr als eine Momentaufnahme“, sagt Experte Ralf Rangnick – und ergänzt: „Eigentlich bräuchte der FC Barcelona den Trainer Guardiola viel dringender als Bayern.“

Stuttgart - Das nackte Ergebnis dieser 180-minütigen Königsklassen-Lektion lautete in der Summe 8:1. Vor allem die Art und Weise, wie der FC Bayern und Borussia Dortmund die spanischen Giganten FC Barcelona und Real Madrid besiegten, war beeindruckend. Nach einem Jahrzehnt der spanischen Dominanz (acht Europapokalsiege, ein WM-Titel, zwei EM-Titel) befindet sich der deutsche Fußball auf der Überholspur. „Dass wir die Lücke in hohem Tempo immer mehr schließen, ist kein Zufall“, sagt Robin Dutt, Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Die Hauptgründe auf einen Blick.

Die Talentförderung: Für Dutt sind die Galavorstellungen der deutschen Clubs in den Halbfinal-Hinspielen der Champions-League „das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung in den vergangenen 13 Jahren“. Sie begann damit, dass der DFB die Vereine im Bereich Nachwuchsförderung in die Pflicht nahm. „Die Jugendakademien als Voraussetzung für die Lizenzierung einzuführen war genauso wichtig wie das Installieren einer A- und B-Junioren-Bundesliga“, betont Ralf Rangnick, derzeit Sportdirektor von Red Bull Salzburg und RB Leipzig. „Die Besten müssen sich mit den Besten messen.“ Die Folge sei , dass in Deutschland jede Menge hoch talentierter Spieler nachkommen. Und auch immer mehr Trainer den Sprung nach oben schaffen, deren Karriere in den Nachwuchsleistungszentren von Bundesligisten begonnen hat – etwa Christian Streich (SC Freiburg), Thomas Tuchel (Mainz 05), Markus Gisdol (1899 Hoffenheim). Schön aus deutscher Sicht: Durch das neue Zukunftskonzept „Esa“ (Erfolg sind alle) soll das Zusammenspiel von den DFB-Hauptamtlichen mit den Verbänden und Vereinen ab 1. Juli noch weiter verbessert werden.

Die Taktik: Der deutsche Fußall hat in Sachen Taktik und Spielphilosophie dazugelernt. Die beiden Meisterschaften von Borussia Dortmund 2011 und 2012 waren für Rangnick dabei ein entscheidender Impuls: „Der FC Bayern hat genau die richtigen Schlüsse daraus gezogen, was Borussia Dortmund so erfolgreich gemacht hat“, erklärt Rangnick. Alle Stars machen mit, den Gegner zu Fehlern zu zwingen und den Ball zu erobern. Die Verhältnisse hätten sich zugunsten von Deutschland verschoben. „Der FC Barcelona spielt jetzt wie der FC Bayern vor zwei Jahren“, sagt Rangnick, „deshalb bräuchte Barcelona den Trainer Pep Guardiola eigentlich viel dringender als Bayern.“

Die Mentalität: Spieler wie Franck Ribéry oder Arjen Robben zeigten früher schon mal eine laxe Einstellung. „Inzwischen haben sie die deutsche Mentalität angenommen, ohne ihre Spielkultur aufzugeben“, meint Dutt.

Solides Wirtschaften: Der Glanz, den Barça, Real und die Selección ein Jahrzehnt lang ausstrahlten, verdeckte die strukturellen Mängel in Spanien. Eine Studie des Branchendienstes World Soccer, die das Paket aus sportlichem Niveau, Finanzen und Infrastruktur bewertet, sieht die Primera Division nur noch auf Platz drei – hinter der führenden Bundesliga und Englands Premier League. „Die Bundesliga ist etwas Gewachsenes, ein hochattraktives Produkt mit gesundem Wettbewerb. Sie ist dabei, den anderen europäischen Ligen endgültig den Rang abzulaufen“, sagt Guido Buchwald, der Weltmeister von 1990. Die Bundesliga vermarktet ihre Fernsehrechte zentral und verteilt die Erlöse nach dem Solidaritätsprinzip. Barcelona und Madrid verkaufen sich in Eigenregie, kassieren das Gros der 650 Millionen Euro, die jährlich an die 20 Clubs der Primera Division fließen. „Auf Barça und Real fallen 50 Prozent der nationalen Medienerlöse, auf Bayern und Dortmund zusammen knapp zwölf Prozent“, sagt DFL-Chef Seifert: „Um die in der Bundesliga praktizierte Solidarität beneiden uns viele.“

Bleibt die Frage, wie sich diese positiven Aspekte auf die deutsche Nationalelf auswirken? „Die Begeisterung, das Selbstvertrauen und das Gefühl, die Großen schlagen zu können, werden die Spieler zur WM mitnehmen“, ist sich Buchwald sicher. Und auch für Rangnick steht fest: „Die Nationalmannschaft hat tolle Perspektiven. Joachim Löw ist zu beneiden – jetzt, wo der FC Bayern so spielt wie Borussia Dortmund.“ Dass es 2014 zwingend zum ersten Titel seit 1996 reicht, heißt das aber nicht. „Ausbildung ist planbar, der Gewinn von Titeln nicht“, sagt Dutt.