Auf großer Bühne ist der FC Bayern zu großen Leistungen fähig. Nach vier Jahren gehören die Münchner wieder zu den besten vier Teams von Europa. Geht es sogar zum großen Finale nach Wembley?
Joshua Kimmich hat die letzte Titelchance des FC Bayern München am Leben erhalten – und dem deutschen Fußball die Hoffnung auf eine Neuauflage des legendären Wembley-Finales. Einen Tag nach dem furiosen Halbfinal-Einzug von Borussia Dortmund führte der herausragende Kimmich den deutschen Rekordmeister am Mittwoch in der Champions League mit seinem wuchtigen Kopfballtor in der 64. Minute beim 1:0 (0:0) gegen den FC Arsenal in das erste Halbfinale seit dem letzten Königsklassen-Triumph 2020.
Nach dem 2:2 beim Hinspiel in London boten die Münchner im hochspannenden Rückspiel vor 75 000 Zuschauern eine extrem konzentrierte Vorstellung. Elf Jahre nach dem Königslassen-Finale zwischen Bayern und Dortmund mit dem 2:1-Siegtor von Arjen Robben im Londoner Wembley-Stadion ist eine Neuauflage am 1. Juni in realistische Nähe gerückt. Trainer Thomas Tuchel bleibt auch ohne Meisterschaft und Pokal die Möglichkeit auf einen glorreichen Abschied aus München.
Sicherheitsgedanke bei Tuchels Startelf
Als „ein Geschenk und Privileg“ bezeichnete Tuchel das Duell mit dem Tabellenzweiten der Premier League. Vor allem war es aber eine hohe Hürde, entsprechend groß war der Respekt der Münchner. Die Bayern agierten sehr konzentriert, arbeiteten defensiv mit viel Hingabe, ohne allzu sehr ins Risiko zu gehen. Bloß keinen Fehler machen, lautete die Losung.
Der Sicherheitsgedanke verdeutlichte sich bereits in Tuchels Startelf. Nach dem Ausfall von Serge Gnabry und Kingsley Coman setzte der Coach links in der Offensive auf den Portugiesen Raphael Guerreiro anstelle von Routinier Thomas Müller, um den starken rechten Londoner Flügel zu bremsen. Der Plan funktionierte, vom pfeilschnellen Bukayo Saka ging wenig Gefahr aus.
Im Gegensatz zum furiosen Hinspiel entwickelte sich im ersten Durchgang ein Belauern auf hohem Niveau, was zulasten der Offensivpower ging. So richtig gefährlich wurde es in der ersten Halbzeit bei den Bayern nur einmal, als Noussair Mazraoui durchbrach und dessen abgefälschter Schuss knapp neben das Tor ging (23.). Durch die defensive Ausrichtung kamen auch Flügelspieler Leroy Sané, der sich aufgrund seiner Schambeinprobleme laut Tuchel weiter durchbeißen muss, und Torjäger Harry Kane selten in Aktion. Auch Jamal Musiala war gut zugestellt.
Spiel lebte von der Spannung
Gleiches galt aber auch auf der Gegenseite. Ein Distanzschuss von Arsenal-Kapitän Martin Ödegaard (29.) und ein unplatzierter Torversuch Gabriel Martinelli (31.) - viel mehr Arbeit bekam Nationaltorhüter Manuel Neuer nicht zu tun. Der 38-Jährige war wie gewohnt zurück ins Tor gekehrt, nachdem am Wochenende gegen Köln (2:0) noch vorsichtshalber Sven Ulreich gespielt hatte. Trotzdem missfiel Tuchel an der Seitenlinie, dass sich die Bayern mitunter zu weit zurückzogen.
Das Spiel lebte von der Spannung, in der zweiten Halbzeit kamen auch endlich hochkarätige Chancen dazu. Die Bayern waren nun die aktivere Mannschaft. Nach einer Flanke des eifrigen Kimmich setzte Leon Goretzka einen Kopfball ans Lattenkreuz, beim Nachschuss traf Guerreiro den Außenpfosten. Es war quasi das Signal für mehr Münchner Mut, der nach gut einer Stunde auch belohnt wurde. Nach feiner Hereingabe war Kimmich per Kopf zur Stelle und belohnte seine starke Leistung.
Kurz darauf hätte Sané sogar noch erhöhen können, doch in Rücklage setzte er den Ball über das Tor (66.). „Super Bayern, super Bayern“, schallte es durch die Arena, was in dieser so holprigen Saison nicht immer der Fall war. Doch dieses Mal stimmten Wille, Einsatz und Leidenschaft. Die Münchner ließen kaum etwas zu, auch der deutsche Nationalspieler Kai Havertz war bei den Gunners komplett abgemeldet.