Der FC Chelsea gewinnt das Champions-League-Finale. Foto: AFP/DAVID RAMOS

Der FC Chelsea klettert zum zweiten Mal auf Europas Fußball-Gipfel. Im Duell der Taktik-Tüftler erweist sich Thomas Tuchel erneut als Spielverderber für Pep Guardiola. Auch auf dem Platz ist ein Deutscher die entscheidende Figur.

Porto - Auf dem vorläufigen Karriere-Gipfel wurde Thomas Tuchel so richtig sentimental. Im Moment des Champions-League-Sieges mit dem FC Chelsea fühlte sich der deutsche Trainer wie „in einem Film“ und wollte sein ganzes Glück mit seiner Familie teilen. „Wenn ich darüber nachdenke, fange ich an zu weinen. Ich weiß, wie sehr die sich freuen, für die ist es jetzt“, sagte der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer sichtlich aufgewühlt. Seine Eltern, Frau Sissi und die beiden Töchter erlebten im Estádio do Dragão von Porto mit, wie Tuchel seinen ersten internationalen Titel als Trainer eroberte. „Das ist das Schönste, ehrlich gesagt“, schwärmte der Chelsea-Coach.

Das 1:0 (1:0) gegen Manchester City diente auch als Tuchels Meisterstück, nachdem er vor einem Jahr mit Paris Saint-Germain noch im Endspiel gegen den FC Bayern mit 0:1 unterlegen war. Den Job in Paris hatte er kurz vor Heiligabend verloren, ein halbes Jahr später führte er Chelsea auf Europas Fußball-Thron. Nach Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool 2019 und Münchens Hansi Flick 2020 ist er der dritte deutsche Siegertrainer in der Champions League nacheinander. „Einen sehr großen Anteil“ habe Tuchel am Aufschwung der „Blues“, versicherte Abwehrspieler Antonio Rüdiger heiser vom Jubel.

Tuchel hatte Chelsea Ende Januar übernommen

Als Tabellenneunter der Premier League hatte Tuchel Chelsea Ende Januar übernommen und bis zum Saisonende noch auf Platz vier gehievt. Das FA-Cup-Finale gegen Leicester City verloren die Londoner zwar, doch im größten Spiel der Saison waren sie die Gewinner. „Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung“, sagte Siegtorschütze Kai Havertz am Sky-Mikrofon. Schließlich habe er schon als Mini-Kicker mit seinen Freunden die Tore früherer Champions-League-Finals nachgespielt.

Mit herausgestreckter Zunge hatte der 21-Jährige seinen entscheidenden Treffer in der 42. Minute gefeiert, es war sein erstes Tor in Europas wichtigstem Club-Wettbewerb. „Es ist ein unfassbares Gefühl“, bekannte Havertz später, nachdem er den Henkelpott gestreichelt hatte. Für mehr als 130 Millionen Euro hatte Chelsea ihn und Nationalmannschaftskollege Timo Werner vor dieser Saison verpflichtet. Immer wieder mussten beide mit Zweifeln und Kritik kämpfen. „Das ist mir gerade scheißegal“, sagte Havertz, als er danach gefragt wurde, ob er nun seine hohe Ablöse zurückgezahlt habe.

Tuchel sei Entwickler der jungen Spieler im Team

Werner indes sagte: „Deswegen sind wir hergekommen, deswegen wurden wir gekauft.“ Sein Team habe es mehr gewollt als Man City, habe auch in den schwierigen Phasen der Saison zusammengehalten. Und auch der Torjäger, der beim Siegtor mit einem cleveren Sprint Platz für Havertz geschaffen hatte, lobte Tuchel als Entwickler der jungen Spieler im Team.

Für den Chelsea-Trainer war es im dritten Saisonspiel gegen den Meister aus Manchester der dritte Sieg. „Wir haben es gestern gefühlt, wir haben es vorgestern gefühlt. Wir sind der Stein im Schuh von Man City“, sagte Tuchel. Sein erster Weg nach dem Titelgewinn führte ihn zu City-Coach Pep Guardiola, den er verehrt und mit dem er einst in einem Münchner Restaurant mit Salz- und Pfefferstreuern stundenlang über Taktik debattiert hatte.

Vielleicht wegen seines Respekts vor Tüftler Tuchel hatte Guardiola ausgerechnet im ersten Champions-League-Endspiel für Man City eine Formation gewählt, die sich als falsch erweisen sollte. „Ich weiß nicht, wem er wieder was beweisen wollte. Auch so ein Trainer sollte mal lernen: Schuster, bleib bei deinen Leisten“, monierte Sky-Experte Lothar Matthäus.

Guardiola mit neuen Stilelementen

Statt die zuletzt in der Liga so erfolgreiche Taktik einzusetzen, mit der die Defensive gestärkt und Ilkay Gündogan zur zentralen Figur wurde, verunsicherte Guardiola sein Team mit neuen Stilelementen. „Ich wollte mit dieser Aufstellung auf jeden Fall das Spiel gewinnen, die Spieler wussten genau, was sie zu tun hatten“, beteuerte der Spanier. Doch sein Team wirkte von Guardiolas Ideen überfordert, hatte kaum eine echte Torchance. „Uns hat die Inspiration gefehlt“, räumte Guardiola ein.

Während Chelsea-Mäzen Roman Abramowitsch nach dem Triumph von München 2012 zum zweiten Mal die Champions League auf der Habenseite verbuchen kann, bleibt dem aus Abu Dhabi alimentierten Milliarden-Projekt Manchester City weiter die Krönung versagt. Guardiola verpasste nach den drei vergeblichen Anläufen mit dem FC Bayern auch im fünften Jahr bei den Cityzens den Triumph in der Königsklasse. „Wir werden zurückkommen“, versicherte der 50-Jährige trotzig.