Bundeskanzlerin Angela Merkel und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe sprechen vor der Eröffnung der Cebit – Japan ist diesmal Partnerland. Foto: dpa

Lange Jahre galt Informationstechnologie als abstraktes Thema – auch auf der Cebit. Doch in diesem Jahr zeigt die Branchenmesse in Hannover, dass es auch anders geht.

Hannover - Roboter, Drohnen, automatische Autos und hyperintelligente Schreibtische – die IT-Messe Cebit in Hannover will in diesem Jahr Digitalisierung zum Anfassen zeigen. „In den vergangenen Jahren waren Themen wie die Internet-Cloud, Big Data oder IT-Sicherheit oft abstrakt – wir wollen nun demonstrieren, dass die Digitalisierung mitten in der Gesellschaft angekommen ist“, sagt zum Auftakt Oliver Frese vom Vorstand der Deutschen Messe AG.

Waren im vergangenen Jahr die Drohnen erstmals mit einer eigenen Flughalle in Hannover vertreten, so wagt man sich dieses Mal auf ein Freigelände. Sogar einen Bohrturm in Miniaturausführung hat man in den Anlagesee des Messegeländes gestellt. Es ist kein Drohnenhersteller, sondern der Computerchip-Spezialist Intel, der ganz greifbar zeigen will, wofür er künftig Rechenpower verkaufen will. „Im Jahr 2020 werden 50 Milliarden Geräte im Internet der Dinge miteinander vernetzt sein“, kündigt die Intel-Sprecherin Monika Lischke an.

Sie überbietet damit andere Prognosen, die diese Zahl erst drei bis fünf Jahre später erreicht sehen. Wie gigantisch dabei die Rechenanforderungen sein werden, zeigt ein Beispiel: Während ein durchschnittlicher Internet- und Smartphonenutzer heute die vor wenigen Jahren noch unvorstellbare Menge von 1,5 Gigabyte an Daten täglich produziert, wird ein autonomes Fahrzeug jeden Tag sogar 4000 Gigabyte an Daten erzeugen. Das Auto wird „zum Rechenzentrum auf Rädern“, meint die Intel-Sprecherin.

Die Telekom als Parkraum-Manager

Auch die Deutsche Telekom, einst ein reiner Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen will ganz neue Servicedienstleistungen an die eigene Infrastruktur andocken. Auf der Cebit stellt sich das Unternehmen als künftigen Parkraummanager für die Innenstädte vor. Schon im Frühsommer will man in Hamburg die öffentlichen Parkplätze elektronisch vernetzen. Das Internet der Dinge wird hier in Form von etwa handtellergroßen, flachen Sensoren Gestalt annehmen. Diese will die Telekom im Zuge des Ausbaus eines neuen Hochleistungsmobilnetzes auf eigene Kosten im Boden verlegen – und die Parkplätze damit intelligent machen.

Wer sich die entsprechende App auf sein Smartphone lädt, sieht sofort, wo Stellplätze frei sind und kann diese reservieren. Bezahlt wird das Ganze ebenfalls innerhalb der App. Darin liegt für den Konzern auch das Geschäftsmodell. Schon im Frühsommer soll das Angebot in Hamburg starten. Die Stadt erhofft sich so, dass zeitraubende Parkplatzsuchfahrten entfallen. „Der eine oder andere steigt dann vielleicht ja auch rechtzeitig auf Bus oder Bahn um,“ sagt Jörg Oltrogge, Geschäftsführer des Hamburger Landesbetriebs für Verkehr.

Den wachsenden Datenhunger des „Internet der Dinge“ im Visier, kündigt der Telekom-Konkurrent Vodafone an, bis zum Sommer auch im Mobilbereich flächendeckend eine Übertragungsgeschwindigkeit von einem halben Gigabit je Sekunde anzubieten.

Die Vision des voll digitalisierten Arbeitsplatzes

Der Walldorfer IT-Konzern SAP demonstriert am Beispiel eines Modellflughafens, wie von der Position der Gepäckkarren über die Länge der Warteschlangen an den Sicherheitsschleusen bis zum Kundenverhalten in den Flughafengeschäften vernetzte Daten jederzeit ein in übersichtliche Diagramme gefasstes Gesamtgemälde eines hochkomplexen Airports erlauben. Die Technik sei heute vorhanden, sie sei nur noch nicht an allen möglichen Punkten miteinander verknüpft.

Und der einst vor allem für seine Digitalkameras bekannte japanischen Anbieter Konica Minolta zeigt gleich den gesamten, voll digitalisierten Ar-beitsplatz. Von der individuellen Begrüßung dank automatischer Gesichtserkennung am Eingang, über einen automatisch beleuchteten und klimatisierten Schreibtisch bis hin zu computergenerierten Vorschlägen für die nächste, natürlich produktiv zu nutzende Kaffeepause mit dem Kollegen, präsentierte er das Rundum-Sorglos-Büro. Noch sei das eine ziemlich teure Vision, räumt man ein. Und auf die reine Menschenfreundlichkeit von Arbeitgebern will man hier nicht setzen: „Am Ende wird sich das durch eine höhere Leistung und Produktivität der Mitarbeiter rechnen“, heißt es.

Das diesjährige Cebit-Partnerland Japan steht dabei für eine Kultur, die bei der Technisierung der Gesellschaft traditionell unbefangener ist als die deutsche. „Gesellschaft 5.0“ haben die Japaner ihren Auftritt überschrieben – und sind damit in der Evolution sozusagen noch eine Ziffer weiter als die Deutschen mit ihrer viel diskutierten Industrie 4.0. „Wir wollen auf der Cebit noch stärker die gesellschaftlichen Aspekte in den Mittelpunkt rücken“, sagt Thorsten Dirks, Chef des deutschen IT-Branchenverbandes Bitkom. Er unterstreicht dies am Beispiel eines Pflegeroboters aus Japan. Auf einem Foto hievt die Maschine mit Teddybärengesicht eine lächelnde ältere Dame aus dem Bett. Die Antworten, die sich jede Gesellschaft gebe, seien sicher unterschiedlich, sagt Dirks: „Das geht weiter als das, was wir hier in Deutschland tun.“ Doch so fremd ist Japan gar nicht. Dirks verweist auf Deutschlands ersten Verkaufsroboter Paul, der gerade bei einem großen Elektronikhändler in Ingolstadt getestet wird: „Der kann sogar Smalltalk.“

Die gesellschaftlichen Aspekte rücken in den Vordergrund

Unterdessen sprachen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe bei der Eröffnung am Sonntagabend für einen raschen Abschluss des EU-Japan-Freihandelsabkommens aus. „In Zeiten, wo wir über freien Handel, offene Grenzen, demokratische Werte mit vielen streiten müssen, ist es ein gutes Zeichen, dass Japan und Deutschland darüber nicht streiten, sondern zum Wohle der Menschen die Zukunft gestalten“, sagte Merkel. Abe erklärte, beide Länder seien Beispiele dafür, wie man auch ohne Rohstoffe, aber mit Innovationen und Offenheit Wohlstand erreichen könne.