Will nicht „kleinkrämerisch“ sein: CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Mit 130 Milliarden will der Bund die Wirtschaft ankurbeln. Auf Landesebene soll das Paket mit einem eigenen Konjunkturprogramm ergänzt werden. Doch um den Umfang gibt es Streit. Was der CDU-Fraktionschef im Landtag, Wolfgang Reinhart, fordert.

Stuttgart - Am Montag hat der Bundestag in Berlin das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte verabschiedet. Mit 130 Milliarden Euro soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Auf Landesebene soll das Paket des Bundes mit einem eigenen Konjunkturprogramm ergänzt werden. Doch um die Frage, wie viel Geld dafür ausgegeben werden soll, gibt es seit einigen Wochen Streit in der grün-schwarzen Koalition. Nur mit „höchst bescheidenen Beträgen“ will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Corona-geschwächte Wirtschaft aus Landesmitteln ankurbeln, wie er im Interview mit unserer Zeitung gesagt hatte. Das sieht der CDU-Fraktionschef im Landtag, Wolfgang Reinhart, ganz anders. Er warnt davor, „kleinkrämerisch“ unterwegs zu sein.

Herr Reinhart, läuft in der grün-schwarzen Koalition eigentlich noch etwas rund? Die Suche nach Kompromissen wird immer geräuschvoller. Ist das schon vorgezogener Wahlkampf?

Das ist kein verfrühter Wahlkampf. Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. Die Notwendigkeit, in kurzer Zeit Entscheidungen von enormer Tragweite zu treffen, ist für Parlament, Regierung und Verwaltung eine große Herausforderung, die so noch nie da war. Wir müssen um den richtigen Weg ringen, da kann durchaus das Bild der Uneinigkeit entstehen. Hinzu kommt, dass die Exekutive durch die Ausnahmesituation eine neue Machtfülle bekommen hat, was auch in den Regierungsfraktionen diskutiert wird.

Außerdem sind die Umfragewerte der Parteien in Bewegung geraten.

Ja, die Umfragewerte, aber auch die Themen, die den Menschen wichtig sind, haben sich verändert. Wirtschaft und Wachstum stehen stärker im Mittelpunkt als noch vor einem halben Jahr. Die Union und die Bundeskanzlerin haben Zustimmungswerte, wie wir sie lange nicht mehr kannten. Alle anderen Parteien sind im Bund weit abgeschlagen. Das erzeugt zusätzlich Unruhe.

Stellen Sie Wechselstimmung fest im Land?

Auf jeden Fall zeigen alle Umfragen in Bund und Land, dass die Union bei den Menschen großes Vertrauen genießt.

Einer der Streitpunkte in der Koalition ist, inwieweit das Land das Konjunkturprogramm des Bundes mit eigenen Mitteln ergänzt. Jetzt hat man die Entscheidung auf September vertagt. Ist das nicht zu spät?

Nein. Wir haben ja bereits zwei Hilfspakete im Land im Milliardenumfang verabschiedet. Hinzu kommt das 130 Milliarden schwere Konjunkturprogramm des Bundes, bei dem wir als Land wesentliche Teile mitfinanzieren müssen, so etwa den Ersatz der Gewerbesteuerausfälle. Hierzu sind wir finanziell auch in der Lage, und da darf kein Cent an Bundesmitteln verloren gehen. Für die Frage, wie es im Herbst finanzpolitisch weitergeht, sollten wir die zusätzliche Steuerschätzung im September berücksichtigen. So müssen wir nicht im Nebel stochern. Klar ist, dass wir Ende September wegen der Steuerausfälle und der Zusatzausgaben einen Nachtragshaushalt benötigen. Und der muss meines Erachtens ein zusätzliches Paket für die Konjunktur enthalten.

Ein Paket oder ein Päckchen? Der Ministerpräsident will nur ein bescheidenes Programm auflegen.

Das zeugt von wenig Ehrgeiz. Wir müssen jetzt investieren und stimulieren und können erst später konsolidieren. Der Ministerpräsident hat ja selbst im Mai die Ressorts darum gebeten aufzulisten, was der Konjunktur helfen kann. Das sind Vorschläge im Umfang von rund sechs Milliarden Euro. Wenn man schon kreative Vorschläge einfordert, sollte man später nicht sagen: Wir können das ohnehin nicht bezahlen. Wir müssen vielmehr unserer Wirtschaft klug helfen, indem wir das Programm des Bundes sinnvoll ergänzen, zum Beispiel bei Wissenschaft und Forschung. Oder beim Breitbandausbau. Oder bei den Kommunen. Das müssen wir jetzt ausloten.

Wer soll das einmal zurückbezahlen?

Wir wollen uns nicht hoffnungslos verschulden, so dass noch die Enkel die Zeche zahlen müssen. Deshalb fasse ich nicht 50 Jahre Tilgungszeit ins Auge, wie es manche vorschlagen. Die Rückzahlung sollte schon noch dieser Generation gelingen. Wenn wir jetzt nochmals ein weiteres Paket brauchen, kann man über 20 Jahre Tilgungszeit reden, so wird’s der Bund wohl machen. Klar ist: Wir müssen rasch wieder auf den Wachstumspfad gelangen, damit wir mit Steuereinnahmen jene Schulden tilgen können, die wir jetzt machen.

Wo ist für Sie die Obergrenze?

Wir haben jetzt schon fünf Milliarden Euro Kreditermächtigungen und sieben Milliarden Steuerausfälle. Das heißt, wir werden dieses Jahr eine zweistellige Milliardensumme im Haushalt verbuchen müssen. Im Moment wäre aber ein Sparhaushalt das falsche Zeichen. Wir sollten jetzt nicht kleinkrämerisch unterwegs sein, eine dreistellige Millionensumme, wie sie der Ministerpräsident vorschlägt, wird deshalb nicht ausreichen. Das eigene Konjunkturprogramm muss Substanz haben, deshalb wird es da schon um einen einstelligen Milliardenbetrag gehen müssen.