Enttäuschung bei den CDU-Anhängern in Berlin: die Partei muss Verluste hinnehmen. Foto: AFP

Die CDU bleibt stärkste Partei. Doch am rechten Rand wächst eine Opposition heran, die sie fürchten muss. Umso mehr, als auchdie CSU in Bayern eine herbe Klatsche bekommt.

Berlin - Sie haben natürlich gewusst, dass der schwarze Balken nach unten zeigen würde. Schließlich reichten nicht einmal die allerbesten Umfragewerte der jüngeren Zeit an das Traumergebnis vor vier Jahren heran, als die Union 41,5 Prozent der Stimmen erhielt. Sind ja nun auch mehr Parteien im Parlament, was das Stück vom Kuchen automatisch kleiner werden lässt. Ein wenig gedrückt ist die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus dennoch, als in der Parteizentrale deutlich wird, wie weit hinab es gegangen ist mit der CDU.

So sehen Sieger normalerweise nicht aus. Die Union stellt auch im nächsten Bundestag die mit Abstand stärkste Fraktion, hat damit vom Bürger erneut den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten und kann ihre Parteichefin zum vierten Mal ins Kanzleramt schicken. Angela Merkel schickt sich zudem an, Helmut Kohls bundesrepublikanischen Regierungsrekord einzustellen, 16 Jahre wären es am Ende der neuen Legislaturperiode. Die erste Frau in diesem Amt wird zum dritten Mal wiedergewählt. Historisch ist das, ohne Frage.

Die Angst vor der AfD war groß

Dass all dies am Wahlabend in den Hintergrund treten würde, hatten die CDU-Wahlkämpfer in den vergangenen Wochen und Tagen immer deutlicher gespürt. Da verglich etwa ein Unionist aus Nordrhein-Westfalen seine Eindrücke mit denen vor dem Überraschungssieg seiner Partei im Mai – und fand keine Parallelen. Schlimmer noch seine Einschätzung, dass „der Trend gegen uns“ ist. Schon wenige Stunden vor Schließung der Wahllokale war in Gesprächen mit CDU-Wahlkreiskandidaten teilweise größte Besorgnis herauszuhören. „Die AfD wird bärenstark“, hieß es da. Am frühen Abend stellt sich heraus, dass die Eindrücke nicht getäuscht haben.

Die Abkehr der SPD von der großen Koalition fand auch schnell prominente Kritiker. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sagte gegenüber unserer Zeitung: „Ich halte es für fahrlässig und falsch, dass die SPD der Fortsetzung der großen Koalition eine Absage erteilt hat.“ Die Union werde nun nach der Wahl in Niedersachsen Sondierungsgespräche mit den Grünen und den Liberalen führen müssen.

Einer der Jungen hatte sich schon am frühen Nachmittag aus der Deckung gewagt. Jenovan Krishnan betonte: „Wenn wir unter unseren Erwartungen bleiben, wird die zweite Reihe auf jeden Fall Kritik äußern.“ Der Vorsitzende der christdemokratischen Studenten war in den vergangenen Wochen wahlkämpfend durchs Land gezogen und hatte Leerstellen im eigenen Wahlprogramm ausgemacht: „In der Bildungs- und Flüchtlingspolitik waren die anderen Parteien besser aufgestellt – das muss man selbstkritisch feststellen.“

Die große Koalition ist schnell Geschichte

Angeführt von Angela Merkel ist fast die komplette Parteispitze angekündigt gewesen, um im fünften Stock des Konrad-Adenauer-Hauses gemeinsam der Bekanntgabe der 18-Uhr-Prognose zu lauschen. Zu besprechen hat es anschließend viel gegeben, wo doch nicht nur das eigene Ergebnis, sondern auch das der AfD kommentiert werden musste als historische Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Schon um 18.05 Uhr hat sich die Frage nach einem Koalitionsfavoriten fast erübrigt, da die SPD sofort den Gang in die Opposition ankündigt. Deshalb muss nun die Option Jamaika diskutiert werden, also ein Bündnis mit Liberalen und Grünen.

In München wird derweil das Gesicht von Horst Seehofer immer länger. Was ihm der Wähler nicht verziehen hat, bleibt noch zu klären: die lange, unerbittliche Konfrontation gegen Merkel zuerst? Die jähe Wende zum Kuschelkurs vor einem halben Jahr, die seine Partei und vor allem die CSU-Stammkundschaft vor Ort mächtig verstört hat? Was sollte nun gelten? Wie verlässlich ist ein Parteichef, der solche Volten hinlegt? Auch solche hinsichtlich der persönlichen Zukunft: Wollte er gehen, wollte er bleiben? Wen spielte er mit welchem Ziel in der Partei gegen den anderen aus?

Die SPD war der CSU in Bayern nie gefährlich, aber die AfD, die hat sich in den letzten Wochen regelrecht einen Spaß daraus gemacht, die Union vorzuführen. Genau vor der Parteizentrale der CSU in München hat sie ihr Standardplakat aufgehängt: „Wir halten, was die CSU verspricht.“ Anspielend natürlich auf die Sache mit der Obergrenze für Flüchtlinge, die Seehofers CSU „garantiert“ einführen wollte und die Kanzlerin „garantiert“ nicht. Da war viel Platz, einen Keil ins schwarze Lager zu treiben – erfolgreich, wie man sieht. Das alte Diktum von Franz Josef Strauß, rechts von der CSU dürfe es keine Partei geben – es gilt nicht mehr. Der große Stratege Seehofer hat es an die Wand gefahren.