Er mahnt seine Partei, den ordnungspolitischen Kompass nicht zu verlieren: Carsten Linnemann, Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union. Foto: dpa

Die Wirtschaftspolitiker in der Union verzweifeln am ordnungspolitischen Schlingerkurs der Bundesregierung. Aber sie gehen auch mit ihrer eigenen Partei hart ins Gericht.

Berlin - Wer will, mag darin ja einen gewissen Fortschritt erkennen: Am Dienstag in der Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag herrschte endlich mal keine schlechte Laune wegen der Flüchtlingspolitik. Diesmal herrschte schlechte Laune wegen der bei den Parlamentariern unbeliebten Kaufprämie für Elektro-Autos. Besonders für die Mittelstandspolitiker der Union ist die Absicht der Bundesregierung, direkte Kaufzuschüsse für die motorisierten Leisetreter zu gewähren, ein Schlag in die Magengrube. Noch vor Wochen hatten deren Vertreter Stein und Bein geschworen, dass sich eine CDU-geführte Regierung niemals zu einem solchen Verstoß gegen die reine Lehre marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik verstehen könnte. Heute muss man sagen: Doch, sie kann.

Diesmal immerhin fühlen sich die Vertreter des Wirtschaftsflügels der Union durchaus nicht isoliert. „Der Widerstand gegen die Prämie geht quer durch die gesamte Fraktion“, sagt Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union. Tatsächlich hatte sich auch Fraktionschef Volker Kauder als Gegner der Kaufprämie zu erkennen gegeben. Christian von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand der Fraktion, dem 190 Unionsabgeordnete angehören, nennt die von der Bundesregierung vorgelegte Lösung „einen Treppenwitz“.

Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, schimpft auf eine „ordnungspolitisch völlig verfehlte Maßnahme“. Auch der Wirtschaftsrat der CDU schäumt. Deren Generalsekretär Wolfgang Steiger, sagt unserer Zeitung: „Es kann nicht sein, dass wie im Falle der Kaufprämie für Elektrofahrzeuge die gesamte Bundestagsfraktion der Union übergangen wird, obwohl es erhebliche Vorbehalte gegen die Kaufprämie gibt. Das ist eine Frage des Markenkerns der Sozialen Marktwirtschaft in der Union.“

Politische Sündenfälle

Der Unmut im Lager der Wirtschaftspolitiker hat sich bereits seit langen aufgestaut. Aus ihrer Sicht standen schon am Anfang der Wahlperiode ordnungspolitische Sündenfälle: Die Mütterrente, die Rente mit 63, der Mindestlohn. Die Union habe sich „auf einen schlecht verhandelten Koalitionsvertrag eingelassen“, sagt Christian von Stetten. „Das hängt uns nun vier Jahre lang nach.“

Dass sich da viel aufgestaut hatte, zeigte sich auf dem Bundesparteitag der CDU im Dezember in Karlsruhe. Der Parteitag hatte eigentlich nur ein Thema: die Flüchtlingskrise. Alles drehte sich darum. Nur nicht in Carsten Linnemanns Rede. Der nutzte das Forum für den Hinweis, dass es „hochgradig gefährlich“ sei, nicht mit zu bedenken, dass das Land wirtschaftlich stark bleiben müsse, um die neuen Herausforderungen auch stemmen zu können.

„Was machen wir für das Investitionsklima, für die Wettbewerbsfähigkeit?“, fragte er. Die Antwort wurde nachgereicht: Die Koalition hat längst die nächste Runde der Verteilungspolitik eingeläutet und diskutiert wieder munter über das Rentenniveau.

Gebündelte Macht

Warum ist das so? „Zeiten großer Koalitionen sind für Ordnungspolitiker schwierige Zeiten“, sagt Linnemann. Gegen die gebündelte Macht von SPD und eigenen CDU-Sozialpolitikern ist schwer etwas durchzusetzen. Aber der Zeitgeist hat sich auch gedreht. Das marktliberale Pathos, mit dem ein Friedrich Merz 2003 in Leipzig einen ganzen Bundesparteitag der CDU in Hypnose reden konnte, verfängt nicht mehr.

„Generell gilt, dass die Politik seit Jahren mehr und mehr Abschied von marktwirtschaftlichen Prinzipien genommen hat“, glaubt Linnemann. Damit will er seine eigene Partei nicht entschuldigen. „Seit 2005 redet die CDU immer weniger über marktwirtschaftliche Reformen. Wir wenden den marktwirtschaftlichen Kompass, der doch zu unserem Markenkern gehören muss, nicht mehr hinreichend an.“

Was zu einem mehr als ernüchternden Fazit führt. Christian von Stetten hat deshalb auch schon eine Bilanz der vier Jahre großer Koalition parat: „Schlecht verhandelter Koalitionsvertrag, vier verlorene Jahre für die Wirtschaft.“ Die nächste Niederlage ist auch schon programmiert: Die Flat-Tax in der Erbschaftssteuer – mit der SPD ist sie nicht zu machen.