Joachim Pfützner (links), Pfarrer der Alt-Katholischen Kirche, hat in derkapelle des Alten Schlosses den CDU-Politiker Stefan Kaufmann und dessen Partner Rolf Pfander (rechts) gesegnet Foto: Sascha Baumann

Auf dem Kennzeichen des Bentleys im Hof des Alten Schlosses standen ihre Namen: Rolf und Stefan. Um zwei, die sich lieben, ging’s bei der Segnungsfeier – doch sie war auch ein Appell an den Vatikan, Schwule wie den CDU-Kreischef Stefan Kaufmann nicht auszugrenzen.

Stuttgart - Auf dem Kennzeichen des Bentleys im Hof des Alten Schlosses standen ihre Namen: Rolf und Stefan. Um zwei, die sich lieben, ging’s bei der Segnungsfeier – doch sie war auch ein Appell an den Vatikan, Schwule wie den CDU-Kreischef Stefan Kaufmann nicht auszugrenzen.

Der eine trägt eine blaue Krawatte zum blauen Anzug mit Blume und Einstecktuch – der andere ebenso. Während der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann, 45, und sein Lebenspartner Rolf Pfander, 46, in der Kapelle des Alten Schlosses auf den Brautpaarstühlen vor dem Altar mit den brennenden Kerzen und Christus am Kreuz sitzen, halten sie sich ergriffen die Hand.

Die Männer strahlen sich an. Und man spürt, wie froh sie sind, nach „einem holprigen Weg“, von dem Kaufmann in seiner Begrüßung spricht, hier angekommen zu sein. Nicht nur für sie als Christen ist dies wichtig, sondern auch für ihre Familien.

Segnen lässt die Katholische Kirche Autos, Tiere oder Waffen – nicht aber ein schwules Paar. Nach dem Nein von Landesbischof Gebhard Fürst ist die Alt-Katholische Kirche eingesprungen, die sich vor 150 Jahren von Rom losgesagt hat. Joachim Pfützner, Pfarrer dieser kleinen, gar nicht altmodischen Glaubensgemeinschaft, in die Pfander eingetreten ist, hält vor 350 Kirchenbesuchern einen Gottesdienst, der auf den ersten Blick nicht ungewohnt erscheint – mit Bibelversen, Lobet-den-Herren-Gesängen, Fürbitten, Vaterunser. Aber dann passiert etwas, was sonst bei einer Predigt nicht passiert. Es gibt starken Beifall.

Denn Pfützner spricht vielen aus dem Herzen. Die Kirchen, sagt er, sollten sich nicht länger heraushalten aus einem Thema, bei dem die Gesellschaft eine „erstaunliche, aber notwendige Entwicklung“ hin zu Toleranz genommen habe. Die Homosexuellen in den Kirchen wollten sich nicht länger verstecken. „Gottes Liebe ist grenzenlos“, sagt der Pfarrer. Wer in den Kirchen könne sich anmaßen, Grenzen zu ziehen?

Einer, der Grenzen aufzeigt, ist trotzdem gekommen: Guido Wolf, der Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl, sitzt in Kirchenreihe eins. Erst kürzlich hat er der Adoption von gleichgeschlechtlichen Paaren eine Absage erteilt. Ob seine Anwesenheit bei einem Gottesdienst für zwei Schwule ein politisches Statement ist? Wolf weicht auf meine Frage aus. „Ich habe eine private Einladung angenommen“, antwortet er. Die Segnungsfeier gehöre den beiden Betroffenen. „Die Kirche ist kein Ort für politische Statements“, sagt der Mann, der Ministerpräsident werden will, und entschwindet, um im Schlosshof in der langen Schlange vor dem Paar zum Gratulieren anzustehen.

Hochzeit oder Partnerschaftssegnung? Manche wissen nicht so recht, was sie sagen sollen. In der Schlange sind Parteifreunde des Paars wie CDU-Landeschef Thomas Strobl und Bürgermeister Michael Föll. Aber auch politische Gegner wie Laura Halding-Hoppenheit, Stadträtin der Linken, sind da, die man die „Mutter der Schwulen“ nennt. Sie habe schon etliche Segnungsfeiern von gleichgeschlechtlichen Paaren erlebt, sagt sie, aber diese sei besonders schön und ergreifend gewesen. Zu den Gratulanten zählen Musicalstar Kevin Tarte, Renitenztheater-Intendant Sebastian Weingarten, Designerin Lissi Fritzenschaft, die frühere Bürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch sowie Kammersängerin Catriona Smith, die mit dem Oratorienchor den Gottesdienst musikalisch auf höchstem Niveau begleitet hat.

Im Schlosshof wird bei Sekt diskutiert, ob es nicht klüger gewesen wäre, die Segnung in einer Gemeinde quasi heimlich vorzunehmen – ohne Rottenburg um Erlaubnis zu bitten. Dies soll bei schwulen Paaren nicht selten geschehen. Bei Kaufmann ging’s nicht. Wie man sich hier erzählt, seien es ausgerechnet CDU-Mitglieder gewesen, die erboste Briefe an den Landesbischof schrieben, als sie von den Segnungsplänen erfuhren. So wurde aus der Feier ein Politikum. Monsignore Oliver Lahl, der stellvertretende Dekan des katholischen Dekanats Stuttgart, ist im Alten Schloss dabei. Er kann dem Bischof von einer Feier berichten, bei der Gottes Botschaft im Mittelpunkt stand.

Zwei Fragen von Pfarrer Pfützner bleiben haften: „Wer entscheidet, wo die Liebe Gottes endet? Und was macht die so sicher, die dies zu glauben wissen?“