Will die Rente aus dem kommenden Bundestagswahlkampf heraushalten: CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Foto: dpa

Einen natürlichen Bündnispartner gibt es für die Union im Bund nicht mehr. Das gelte auch für den langjährigen Koalitionspartner FDP, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

Berlin - CDU-Generalsekretär Peter Tauber sieht keine natürlichen Bündnispartner mehr – auch nicht die Liberalen Christian Lindners.

Herr Tauber, noch vor einem halben Jahr schien der Machterhalt für die Union ernsthaft gefährdet. Sind Sie überrascht, wie schnell sich die Lage verändert hat?
Die Entwicklung zeigt, dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben: Gelassen bleiben, nicht über jedes Stöckchen springen, weiter vernünftige Regierungsarbeit leisten, und vor allem darüber sprechen, was die Leute bewegt. Das haben wir auch in den Landtagswahlkämpfen sehr erfolgreich gemacht. Außerdem ist die Geschlossenheit wichtig: Alle drei Spitzenkandidaten haben immer wieder betont, dass sie klar hinter dem Kurs von Angela Merkel stehen. Und das zahlt sich aus. Die Deutschen sind offensichtlich froh, dass in Zeiten schneller Veränderungen die Union mit einer Botschaft der Verlässlichkeit antwortet.
Gilt eigentlich noch der alte Grundsatz, dass die FDP der selbstverständliche Partner der Union ist, wenn eine solche Konstellation rechnerisch möglich ist?
Meine Lieblingsfarbe ist Schwarz, keine andere. Entscheidend ist, mit wem die Union ihre Vorstellungen am besten umsetzen kann. Und einer unserer inhaltlichen Schwerpunkte ist die innere Sicherheit. Vieles, was wir in dieser Wahlperiode auf den Weg gebracht haben, wäre mit den Liberalen nicht gegangen: etwa die Vorratsdatenspeicherung oder der bessere Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden. In den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur und Innovationen sind wir uns hingegen nah. So gibt es mit allen möglichen Partnern mal größere, mal kleinere Schnittmengen.
Wir halten fest: Sie vermeiden die Aussage, dass die FDP der Union natürlicherweise am nächsten steht.
Wir kämpfen für eine möglichst starke Union.
Das bringt die Grünen ins Spiel. Was erhoffen Sie sich denn von deren Bundesparteitag an diesem Wochenende?
Die Grünen sind in den Ländern, in denen sie mit uns regieren, deutlich näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen als auf Bundesebene: Was in Baden-Württemberg in Sachen innerer Sicherheit verabredet wurde, was in Hessen in Sachen Verkehrsinfrastruktur passiert, kann sich sehen lassen. Im Bund sieht das anders aus. Da ist immer noch unklar, wer eigentlich das sagen hat: Kretschmann oder Trittin? Und dass viele Grüne nach wie vor mit Rot-Rot-Grün liebäugeln, zeigt ja auch, wie schwierig es ist.
Die FDP sicherheitspolitisch weit weg, die Grünen ohne Konzept – bleibt die trostlose Aussicht auf eine Neuauflage der großen Koalition…
Das glaube ich eben nicht. Wenn es eine Mehrheit neben der großen Koalition gibt, werden wir die inhaltlichen Schnittmengen ausloten. Aber zunächst gilt es, die Wahl zu gewinnen.
Raus aus der großen Koalition – ist das also ein Ziel der Union?
Es tut der Demokratie gut, wenn sich die beiden großen Volksparteien im Parlament als Alternativen gegenüberstehen. Wir werden für unsere Positionen in den nächsten Wochen engagiert werben – in den Fußgängerzonen und an den Haustüren.
Klopfen wir die Positionen mal ab: Können Sie kategorisch sagen, dass es mit der Union in der nächsten Wahlperiode keine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters gibt?
Ja. Wir haben lange über die Rente mit 67 diskutiert. Die wird nun umgesetzt. Wir haben außerdem in dieser Wahlperiode sehr viel bei der Mütterrente, der Erwerbsminderungsrente und den Betriebsrenten verbessert. Im Übrigen sind die Renten so stark gestiegen wie seit 20 Jahren nicht mehr – weil es so viele sozialversicherungspflichtige Jobs gibt. Wir haben also die Weichen dafür gestellt, dass die Rentenversicherung bis 2030 gut aufgestellt ist.
Herr Schulz unterstellt Ihnen aber die Absicht einer Heraufsetzung.
Herr Schulz versucht Ängste zu schüren und arbeitet mit unredlichen Argumenten. Es gibt keine Beschlusslage der CDU, das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus anzuheben. Und es wird auch nicht im Regierungsprogramm stehen. Wir sollten die Zukunft der Rente aus dem Parteienstreit heraushalten und stattdessen in Ruhe in einer Rentenkommission mit Sozialpartnern und Experten darüber beraten.
Müssten sich potenzielle Unionswähler auf gravierende Veränderungen in irgendeinem Politikbereich einstellen – oder soll alles bleiben, wie es ist?
In vielen Grundlinien wollen wir natürlich, dass es so bleibt: ausgeglichener Haushalt, starker Arbeitsmarkt, mehr Geld für den Pflegebereich, hohe Investitionen in Bildung und Forschung. In anderen Bereichen müssen wir aber noch mehr tun, beispielsweise um die Digitalisierung zu meistern. Gerade für die ländlichen Räume bringt sie sehr viele Chancen. Aber dafür brauchen wir noch schnelleres Internet.
Alles bleibt wie es ist – plus 15 Milliarden steuerliche Entlastung. Ist das Ihr Konzept?
Die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen wird ein Schwerpunkt sein, auch der Einstieg in die Abschaffung des Solis. Und vor allem die Entlastung der Familien mit Kindern, zum Beispiel durch ein Baukindergeld.
Kann ein Merkel-Wähler eigentlich sicher sein, dass die Kanzlerin nochmal vier komplette Jahre regieren wird? Das wären dann Kohl´sche 16 Jahre…
Ja, Angela Merkel hat klar gesagt, dass sie für vier Jahre antritt.
Werden nach der Wahl, etwa bei den Koalitionsverhandlungen, die Konflikte mit der CSU wieder aufflammen?
Wir erarbeiten gemeinsam ein überzeugendes Regierungsprogramm. Wir sind uns zum Beispiel völlig einig, dass wir in der Flüchtlingspolitik mehr bei der Bekämpfung der Fluchtursachen tun müssen – etwa in Afrika. Und wir sind gemeinsam der Auffassung, dass Europa mehr für den Schutz seiner Außengrenzen tun muss.
War denn eher der Streit inszeniert oder eher die Versöhnung?
Beides war echt.
Es könnte im Sommer zu einem neuen Ansteigen der Flüchtlingszahlen kommen. Was würde die Union diesmal anders machen?
Dass sich die Situation des Jahres 2015 noch einmal wiederholt, halte ich für ausgeschlossen. Dafür haben wir auf europäischer und nationaler Ebene zu viel getan: von der Zusammenarbeit mit der Türkei über die Gespräche mit den nordafrikanischen Ländern bis zu den klareren Strukturen beim Bundesamt für Migration und einem klareren Asylrecht. Wir sind jetzt ganz anders aufgestellt.
Der G-20-Gipfel sollte eine schöne Wahlkampfbühne für Angela Merkel werden. Der US-Präsident wird das Bild der Einheit aber empfindlich stören. Soll die Kanzlerin nun als große Gegenspielerin punkten?
Die Bürger erwarten, dass Angela Merkel einerseits ihren Positionen treu bleibt. Beim Klimaschutz oder Freihandel hat sie das bereits deutlich gemacht. Und andererseits ist es auch wichtig, Maß und Mitte zu wahren, verhärtete Positionen aufzubrechen und Interessen zusammenzuführen, weil wir in einer globalisierten Welt Herausforderungen nur gemeinsam meistern.

Das Gespräch führten Norbert Wallet und Christopher Ziedler. Es fand statt, bevor die Nachricht vom Tod von Altkanzler Helmut Kohl bekannt wurde.