„Manchmal versumpfe ich ein wenig Foto: Rüdiger Ott

Klaus Albert Maier saß 20 Jahren lang für die CDU im Bezirksbeirat. Nun will er nicht mehr.

Stuttgart-Degerloch - Der Mann ist ein wandelndes Buch, und dessen Seiten sind prall gefüllt mit Anekdoten. Die Kaffeetasse ist längst leer getrunken, das Telefon hat schon ein paar mal geklingelt, aber Klaus Albert Maier lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, reiht eine Geschichte an die andere. Die Klienten müssen jetzt halt mal warten, und auch die Papierberge, die sich auf seinem Schreibtisch unheilvoll zur Seite neigen, bleiben noch ein Weilchen länger unbearbeitet. Maier ist Insolvenzverwalter und besitzt eine Kanzlei.

Er ist mal geflogen, sagt er, nein, nicht von der Schule, sondern mit einer einmotorigen Maschine, nach Spanien, nach Frankreich, zum Kaffeetrinken nach Donaueschingen, die Tasse – über den Daumen gepeilt – für hundert Mark. Als sein Sohn auch fliegen wollte, hat er das Hobby an den Nagel gehängt. „Es reicht ja, wenn einer aus der Familie runter fällt“, sagt Maier und grinst, wobei sich seine Wangen wie kleine Polster unter die Augen schieben. Zum Fliegen kam er übrigens über seine Frau, genauer gesagt über ihre Anekdote, aber dazu später mehr.

Er schwätzt wie ihm die Gosch gewachsen ist

Wer Maier kennt, der weiß, dass er nicht runter fällt. Er verlässt höchstens die Bühne. Aber „den Zeitpunkt bestimme ich und nicht die anderen“. So wie vor kurzem, als er seinen ehemaligen Kollegen aus dem Degerlocher Bezirksbeirat sagte, dass er nicht mehr der Sprecher der CDU sein will. 20 Jahre Lokalpolitik sind genug. „Irgendwann kommt man an die Grenze der eigenen Fantasie“. sagt er. Dann sei die Zeit gekommen, zu gehen. „Ich finde es furchtbar, wenn sich Menschen nicht von ihren Ehrenämtern trennen können, weil sie denken, es sei ein sozialer Abstieg.“ Er will – Zitat – nicht als Grufti bezeichnet werden oder als Lokalpolitiker in Altersteilzeit.

Er schwätzt, sagt man auf schwäbisch, wie ihm die Gosch gewachsen ist. Samstags spaziert er gern über den Degerlocher Markt „und schättre rum“, was auch immer das heißen mag. Und wenn er von seiner Anfangszeit als Anwalt spricht, nennt er das wutzelig. Fakt ist, er hatte einen Büroschrank, von dem er nur eine Tür öffnete – weil der Schrank nur zur Hälfte mit Ordnern gefüllt war, und etliche waren leer.

Hin und wieder grummelt er. Mittlerweile sei er ja ein wenig altersweise geworden, meint er, aber früher habe er so richtig aufbrausend sein können. Er erzählt von den Sekretärinnen, die er zum Weinen gebracht hat. Heute, so scheint es, tut ihm das wohl ein bisschen leid. Delegieren ist eben nicht seine Stärke. Er hat andere.

Am Sonntag arbeitet es sich ohnehin am besten

Quasi im Monatsrhythmus ist Maier Geschäftsführer einer anderen Firma, zumindest irgendwie, und stets auf Zeit. Als Insolvenzverwalter übernimmt er das Ruder, wenn Unternehmen untergehen, um zu retten, was zu retten ist. Mit dröger Büroarbeit hat das nichts zu tun. Er besucht die Firmen, rückt in Produktionshallen schon mal Maschinen zusammen, um den Materialfluss zu verbessern, oder kauft einen Staubsauger, damit der Laserschweißer nicht so raucht. „Das ist unglaublich abwechslungsreich“, sagt er. Die Beweise hängen an der Wand seines Büros. Diese sind, wahllos aufgezählt, eine Platine, eine Ölwanne, ein Firmenschild, ein Kalender, ein Holzdachmodell. Über den Tisch reicht Maier ein rotes Spielzeugauto.

„Manchmal versumpfe ich ein bisschen in Arbeit“, sagt er. Das ist nett formuliert angesichts der Aktenberge und der 70-Stunden-Woche, die er seit mehr als drei Jahrzehnten fährt. Abends kommt Maier eigentlich nie vor neun, zehn Uhr nach Hause. Und am Sonntag arbeitet es sich ohnehin am besten.

Wessen Leben im Takt der Arbeit tickt, kann seine Frau nur im Büro kennenlernen. Sie ist ebenfalls Anwältin – und die Vorlage für die nächste Anekdote. Er muss noch heute lachen, wenn er davon erzählt. Er stand vor den ahnungslosen Mitarbeitern und sagte. „Damit ihr’s wisst, sie heiratet. Und ich heirate auch. Weil wir Schwaben sind, heiraten wir zusammen.“ Das ganze hatte freilich Konsequenzen. „Die Folgen sind 17, 16 und 15 Jahre alt.“ Irgendwann wollte der Älteste fliegen. Und damit schließt sich der Kreis.