Der Service macht den Unterschied: Hotelier Carsten K. Rath legt Wert auf Herzlichkeit. Foto: Thomas Luethi/Hotel

Carsten K. Rath hat sich vom einfachen Kellner zum Hotelchef hochgearbeitet. Er gilt als Vordenker der Branche und wurde für das Konzept der Kameha Hotels und Resorts mehrfach ausgezeichnet.

Zürich - Jemand hat die Kupferkannen umgestellt. Statt wie vorgesehen oben links neben der Tür der Shisha Lounge stehen sie nun im Regal rechts. Solche Details sind Carsten K. Rath wichtig. Das Hotel Kameha Grand in Zürich ist ein Kunstwerk, durchdacht und designt bis in die kleinste Schraube. Freundlich, aber bestimmt spricht er einen Mitarbeiter an. Er möge bitte darauf achten, dass nicht einfach die Dekoration geändert wird. Mancher mag das für kleinlich halten, für den Hotelier aber ist es eine Frage der Konsequenz. Alles muss perfekt sein. Deswegen werden auch Fehler korrigiert, die der Gast gar nicht bemerkt hätte. Carsten Rath ist ein Gastgeber durch und durch.

Eigentlich wollte der gebürtige Lahnsteiner Tennisprofi werden, dann kamen diverse Verletzungen dazwischen. Er entschied sich für eine Ausbildung zum Hotelfachmann und hat ganz klassisch als einfacher Kellner angefangen. Von seiner ersten Station im Schwarzwald ging er hinaus in die weite Welt: Rath machte bei Luxushotelketten wie Kempinski oder Ritz-Carlton Karriere. Er arbeitete in Südafrika, in den USA, in China und in legendären deutschen Häusern wie dem Hotel Adlon in Berlin oder dem Taschenbergpalais in Dresden.

Er wurde zum Hotelmanager des Jahres gekürt, als bester Gastgeber Deutschlands und Arbeitgeber des Jahres ausgezeichnet, erhielt den Innovationspreis der deutschen Tourismusbranche und hält als Dozent Vorträge über Service und Qualitätsmanagement. 2008 gründete er die Kameha Hotels und Resorts, denen er als geschäftsführendes Vorstandsmitglied vorsteht. Seit 2009 gibt es das Hotel Kameha Grand Bonn, dieses Jahr im März hat das Unternehmen ihr neues Haus in der Schweiz eröffnet. Das Hotel Kameha Grand im Züricher Glattpark, einem aufstrebenden Stadtteil in Flughafennähe, ist die Essenz von fast 30 Jahren Erfahrung - als Angestellter und als aufmerksam beobachtender Gast.

Beeindruckende Architektur und herzlicher Service

„Es gibt Hotels, die haben wunderbare Mitarbeiter, aber man bekommt Augenkrebs, so scheußlich sieht es dort aus. Und es gibt Hotels, die sind wunderschön designt, aber dort arbeiten nur arrogante Kellner. Wir versuchen, das Beste zu kombinieren: beeindruckende Architektur, außergewöhnliches Interieur und vor allem herzlichen Service“, sagt der Hotelmanager.

Daher auch der Name Kameha - der Begriff stammt aus dem Hawaiianischen und heißt so viel wie „einzigartig“. Eine Sternebewertung haben die Hotels nicht, gleichwohl spielen sie in der obersten Liga mit. Im Jahr 2015 muss man sich als Beherbergungsbetrieb schon etwas einfallen lassen, um in der Fülle von Angeboten aufzufallen. Zudem sind die Kunden immer schwerer einzuschätzen. Den klischeehaften Vorstädter, der Golf spielt, S-Klasse fährt und seit Jahrzehnten im selben Fünf-Sterne-Hotel urlaubt, gibt es nicht mehr. Reisende von heute sind hybrid. Sie essen heute Kaviar und morgen Currywurst, fahren mal hierhin und mal dorthin, nächtigen einmal günstig im Budgethotel und gönnen sich dann wieder ein sündhaft teures Luxuswochenende. „Der Gast ist sehr erwachsen und viel herumgekommen.

Er weiß im Zweifel mehr als ich, hat Kobe-Rind in Japan gegessen und organisches Gemüse in Bhutan gepflückt. Diese Leute begeistert man mit einer kleinen Geste“, sagt Carsten Rath. Solch eine kleine Geste kann das Vorausahnen von Wünschen sein, ehe sie überhaupt ausgesprochen wurden. Das Achten auf Vorlieben wie Kaffee immer mit drei Stück Zucker. Und indem man den Leuten ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und sie mit Namen anspricht. „Die schönste Musik in den Ohren ist der Name“, sagt Carsten Rath. Auf diesen Punkt legt er sehr viel Wert. Mitarbeiter mit Gedächtnisproblemen sollten sich eine Klinikpackung Ginseng oder ein Eselsbrückenkonzept zulegen.

„Exzellenter Service erwächst nicht aus einer Fertigkeit, sondern aus der Empathie für den Gast“, sagt Carsten Rath. Die echte, ungespielte Herzlichkeit für alle - ob wichtiger Prominenter oder Normalgast - macht aus seiner Sicht den Unterschied. Egal, ob mutmaßlich ein fettes Trinkgeld zu erwarten ist oder nicht. Carsten Rath hat diese Erkenntnis nicht erfunden, andere Hotels bieten auch sehr guten Service. Doch der Lahnsteiner hat über seine Philosophie schon zwei Bücher geschrieben: einen Manager-Ratgeber mit dem Titel „Das beste Anderssein ist Bessersein“ und den kürzlich erschienenen Band „Sex bitte nur in der Suite. Aus dem Leben eines Grand Hoteliers“, in denen er amüsante Anekdoten seiner Karriere in Luxushotels auf vier Kontinenten erzählt.

„Man muss Menschen mögen“

Ein drittes Buch erscheint im September. Uneingeschränkte Aufmerksamkeit ist vom Aussterben bedroht. Im digitalen Zeitalter sind die Menschen immer und überall abgelenkt: Sie twittern, während sie fernsehen, posten Bilder ihrer Mahlzeiten, werden durch ständig eintreffende E-Mails und WhatsApp-Nachrichten bei der Arbeit unterbrochen. Selbst Frischverliebte schauen beim Rendezvous mehr auf ihr Smartphone als in die Augen des anderen. „Man muss Menschen mögen“, sagt der Serviceenthusiast - und meint damit natürlich auch die Mitarbeiter.

Zu Beginn seiner Laufbahn erlebte Rath ein prägendes Negativbeispiel. In Hinterzarten schuftete er als „Tellertaxi“ - von einem wenig einfühlsamen Lehrmeister auf Effizienz getrimmt. Gespräche mit den Gästen oder gar das Erfüllen von Sonderwünschen waren in dieser Abfertigungsmaschinerie für Ausflugsbusse nicht vorgesehen. „Gästeverarbeitende Industrie“ nennt Rath solch professionelles, aber wenig herzliches Verhalten. Doch es sind nicht nur die zuvorkommenden Mitarbeiter, die Gäste zu Freunden machen wollen.

Ein modernes Hotel im Jahr 2015 zeichnet auch ein besonderes Gebäude aus. Viele Menschen fühlen sich von Grandhotels eher abgeschreckt. Sie halten glänzende Bürgerschlösser für ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts, die mit ihren Präsidentensuiten nur noch für Staatsbesuche taugen. „Ein Hotelaufenthalt muss eine komfortable Entschädigung dafür sein, dass ich nicht zu Hause sein kann“, sagt Carsten Rath im Hinblick auf Geschäftsreisende. Aber auch Urlauber suchen im Grunde eine zweite Heimat. In Zürich hat der niederländische Designer Marcel Wanders solch eine Heimat fern der Heimat entworfen. Ein verrücktes Hotel, mit stilisierten Schokoladentafeln als Türen, Leuchten in Form von Kuhglocken und einem überdimensionalen Suppenteller an der Restaurantdecke. Kein Wunder, dass man den Gestalter in Anlehnung an die verrückte Popikone Lady Gaga „Mr. Gaga“ nennt. Nicht jeder wird diesen spinnerten und doch kuschligen Rocktempel mögen.

„Welches Hotel gefällt schon jedem?“, fragt Carsten Rath. Das wäre ja langweilig. Er setzt lieber Trends, ohne trendy zu sein. Ist seiner Zeit ein Stück voraus und freut sich, wenn andere folgen. Carstens Raths Mission ist nie zu Ende. Es geht immer noch besser, immer wieder anders, immer wieder neu. Da schlägt der einstige Tennisprofi durch, der immer gewinnen wollte. „Ich habe das Glück und das Pech, nicht im Heute leben zu können. Ich lebe im Übermorgen“, sagt der 48-Jährige. Und dort haben die Kupferkannen eben links im Regal zu stehen.