Der Carsharing-Dienstleister Stadtmobil vergrößert sein Angebot in Stuttgart Foto: Peter-Michael Petsch

Der Carsharing-Anbieter Stadtmobil vergrößert sein Angebot: In diesem Jahr möchte das Unternehmen rund 50 neue Fahrzeuge stellen, zwei davon sind schon im Einsatz. Ludwigsburg und Esslingen sollen Schwerpunkte des Ausbaus werden.

Stuttgart - Guckt der Unternehmer Ulrich Stähle im stillen Kämmerlein womöglich mit einer Glaskugel in die Zukunft? Es würde seine Zuversicht begründen, dass die enorme Vergrößerung von Stadtmobil wirtschaftlich Sinn macht, obwohl die aktuelle Nachfrage Stähle zufolge noch keine entsprechenden Signale sende. „Wir warten nicht, bis die Kunden da sind“, sagt der Vorstand der Aktiengesellschaft stadtmobil carsharing mit Sitz in Stuttgart. „Wir schaffen erst das Angebot und sammeln die Kunden danach ein.“Bei früheren Vergrößerungen habe das auch geklappt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Zukunft sich an die Gesetzmäßigkeiten der Vergangenheit hält. Die anderen kommerziellen Carsharing-Anbieter in Stuttgart, Flinkster (Deutsche Bahn) und Car2go (Daimler), haben aktuell keine Vergrößerungen geplant.

Erste Zusatzwagen schon da

Stadtmobil begann bereits am letzten Freitag, die Pläne umzusetzen. Seitdem stehen nach Angaben des Unternehmens zwei zusätzliche Opel Astra zur Verfügung: Einer an der Martinskirche nahe der Duisburger Straße 29 in Bad Cannstatt und einer in der Neckarstraße 149 in Stöckach. Ein weiterer zusätzlicher Opel in der Edith-Stein-Straße 19 in Ostfildern soll am kommenden Freitag dazukommen. Zusätzlich sollen sechs neue Astras Mitte bis Ende März an verschiedenen Standorten in Stuttgart und Ostfildern gestellt werden. Besonders stark wachsen soll die Flotte in Ludwigsburg und Esslingen. Aktuell stehen in Esslingen 19 und Ludwigsburg 22 Autos zur Verfügung. Bis Ende 2019 sollen es je Standort etwa 50 werden.

Randlagen meist unrentabel

Mit dem Ausbau wolle die Aktiengesellschaft dem Eindruck der Kunden entgegenwirken, dass an den Standorten in Randlagen nicht genug Autos zur Verfügung stünden. Das Management von Standorten mit nur einem Fahrzeug, wie zum Beispiel Stammheim, sei schwierig, so Stähle. „Wenn das eine Auto weg ist, haben andere Kunden gleich das Gefühl, dass dort nicht genug Angebot herrscht. Unter dem Strich ist die Auslastung an solchen Orten aber gering. Wirtschaftlich rentabel sind sie meistens nicht.“ Die Vereinsstruktur von Stadtmobil macht es möglich, dass Standorte in sehr kleinen Städten wie Bietigheim-Bissingen oder Ditzingen trotzdem aufrecht erhalten werden können. „Dort übernehmen ehrenamtliche Helfer einen Großteil der Arbeit“, sagt Stähle. „Sie suchen zum Beispiel nach Stellplätzen und machen Werbung.“ Stadtmobil hat sich nach eigenen Angaben 1992 als ehrenamtlicher Verein gegründet. 1997 wurde die erste Stelle geschaffen – auf einer Gehaltsbasis, die heute als 450-Euro-Kraft gelten würde. Erst 2001 wurde dann die gleichnamige Aktiengesellschaft ins Leben gerufen. Sie agiere rechtlich gesehen nur in Stuttgart, Esslingen und Ludwigsburg, sagt Stähle – aber auch dort gebe es Ehrenamtliche, die die Arbeit der AG unterstützten.

Zwar könne Stadtmobil bei der Erweiterung auf Ersparnisse zurückgreifen, die 2013 und 2014 entstanden seien. Insgesamt werde das Unternehmen durch den Ausbau aber zunächst doch „ein bisschen ins Minus gehen“.

Die wohlgesonnene Haltung im Stuttgarter Rathaus für neue Carsharing-Stellplätze begünstige den Ausbau, sagt Stähle. „Durch die grüne Rathausspitze scheint die Grundstimmung positiver sein. Aber es geht schon noch etwas von Seiten der Stadt“, appelliert der Vorstand an die Kommune. Bisher miete das Unternehmen die Mehrheit seiner rund 350 Stellplätze von Privatleuten an. Stähle selbst lebt seit mehr als 20 Jahren ohne eigene Blechkarosse.

Anbieter unterscheiden sich

Sprecher von Car2go und Flinkster reagierten gelassen auf die Stadtmobil-Vergrößerung. Das könnte an den unterschiedlichen Geschäftsmodellen liegen. Die Elektro-Smarts von Car2go würden größtenteils für Fahrten unter einer Stunde genutzt, sagt der Sprecher Andreas Leo. Ein Car2go können Nutzer im Stadtgebiet abstellen, wo sie möchten. Beim stationären Carsharing von Stadtmobil und Flinkster geht das größtenteils nur an festen Stationen. Stadtmobile würden eher für mittlere und längere Fahrten verwendet, und zum Großteil von Menschen ohne eigenes Auto, so Stähle. Eine höhere Rotationsrate bei Car2go suggerieren auch die Nutzerzahlen: 45 000 Kunden im Raum Stuttgart fahren 520 Autos. Bei Stadtmobil dagegen teilen sich nur 9192 Nutzer die derzeit 465 Fahrzeuge.

Eine dritte Form rundet das Carsharing ab: das private Carsharing. Bei der Internet-Plattform Autonetzer waren im Großraum Stuttgart Ende 2014 etwa 2500 Nutzer registriert, bei der Konkurrenz Tamyca waren es rund 1300. Im Vergleich zu Stadtmobil fällt die monatliche Grundgebühr weg, dafür stehen mit rund 250 Autos (Autonetzer) beziehungsweise 400 (Tamyca) weniger als die 465 Stadtmobile zur Verfügung. Außerdem sind die privaten Autos nur zu haben, wenn der Besitzer selbst gerade keinen Bedarf hat.

Zweiter Platz für Stuttgart

Trotz des Wachstums bei Stadtmobil : Der Carsharing-Hauptstadt Karlsruhe wird Stuttgart nicht den Rang ablaufen können. In Karlsruhe gibt es pro 1000 Einwohner rund 1,8 Carsharing-Autos (ohne privates Carsharing), in Stuttgart sind es nur rund 0,6. Das hat der Bundesverband CarSharing ausgerechnet. Stuttgart belegt bundesweit immerhin Platz zwei. Im Juni könnte die Region neue Spitzenrankings ernten: Dann will der Bundesverband den nächsten Städtevergleich veröffentlichen. Er soll erstmals auch Gemeinden mit weniger als 200 000 Einwohnern berücksichtigen. Von Städten in dieser Größe gibt es rund um Stuttgart einige, in denen Carsharing längst zum Alltag gehört.