Die Komikerin Carolin Kebekus liebt Weihnachten als Familienfest. Von der Kirche aber hat sich die Christin entfremdet. Ein Gespräch über den Stress der Frauen an Weihnachten, ihre tiefgläubige Oma und ihr Festival, bei dem nur Frauen auf der Bühne stehen.
Stuttgart/ Köln - Carolin Kebekus freut sich auf Weihnachten – mit Traditionen wie Singen und Plätzchen, aber ohne Kirchbesuch und das, obwohl sie Christin ist.
Frau Kebekus, freuen Sie sich auf Weihnachten?
Total. Ich habe das Gefühl, dass dieses Jahr nicht aufhört. Es gibt keinen Stillstand. Corona hört nicht auf. Die Verschiebungen hören nicht auf. Die Hiobsbotschaften hören nicht auf. Alles ist durcheinander – und es hört einfach nicht auf. Daher freue ich mich jetzt auf ein bisschen Ruhe über die Festtage. Ich liebe Weihnachten. Jeder Tag ist gleich, man sitzt am Feuer, isst zu viele Plätzchen, jetzt darf dieses Jahr auch mehr Familie zusammenkommen als im Vorjahr, weil sie genesen, geimpft oder sogar geboostert ist.
Was machen Sie zwischen den Jahren – Playstation spielen oder häkeln?
Beides. Ich spiele gerne mit Freunden Playstation, das heißt dreimal sterben, dann ist der andere dran. Dazwischen habe ich auch immer Zeit zum Häkeln.
Was bedeutet Ihnen Weihnachten?
Für mich war das schon immer das Familienfest. Ich liebe es, wenn alle Leute zusammenkommen, habe es aber nie verstanden, warum meine Mutter so gestresst war. Als Kind dachte ich, es ist egal, was wir essen, Hauptsache, es gibt Geschenke. Und die bringt ja das Christkind. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich verstanden, dass an Weihnachten alles an den Frauen hängt. Außer das Baumaufstellen vielleicht. Mit den Jahren haben wir in unserer Familie die stressigen Faktoren aussortiert. Jeder bringt etwas zu essen mit, alle sind zusammen, und am Ende schlafen ein paar auf dem Boden. Wir haben es abgelegt, dass es Regeln gibt. Am Ende singen wir natürlich zusammen und alle Kinder bekommen ihre Geschenke.
Hat sich in den vergangenen Jahren in puncto Gleichberechtigung nicht doch etwas getan?
Oberflächlich vielleicht. Ich denke aber schon, dass die Frauen nach wie vor das meiste machen. Wer denkt denn an alles? Wann wird wo gefeiert? Wer feiert wann mit? Wer denkt an die Tante, die persönlich eingeladen werden möchte, und so weiter? Wo schlafen alle? Was essen die Kinder? Natürlich gibt es Männer, die sich mit engagieren, aber das Gros an Organisation und Geschenkebesorgung machen am Ende die Frauen. Und die bekommen am wenigsten Geschenke. Dabei müssten die als Highlight des Abends gekrönt werden. Als ich letztes Jahr eine Freundin gefragt habe, was sie bekommen hat, war ihre Antwort: „Mein Sohn hat mir einen Bierdeckel bemalt, und von der Stadtsparkasse habe ich eine Karte bekommen.“
Ihr Großvater spielte in der Kirche Orgel, Sie sangen im Kirchenchor. Welche Weihnachtslieder mögen Sie denn?
Ich finde, dass „Stille Nacht“ eines der schönsten Musikstücke überhaupt ist. Wenn viele Leute beisammen sind und noch ein paar die zweiten Stimmen singen können, was gibt es Schöneres?
Gab es denn eine Essenstradition im Hause Kebekus: Würstchen mit Kartoffelsalat? Oder Raclette?
Raclette gibt es sogar dieses Jahr wieder. So wie früher. Eine Zeit lang wollte mein Vater ein Stück Fleisch aus dem Ofen. Aber geklappt hat es nicht so.
Ihre Weihnachtsshow „The Last Christmas Special“ wurde in einer Kirche aufgezeichnet. Wann waren Sie davor zuletzt in der Kirche?
Da muss ich kurz überlegen: bei der Taufe von meinem Patenkind.
Würden Sie sagen, Sie haben sich von der Kirche entfremdet?
Ja, von der Kirche extrem, aber nicht vom Christsein. Ich habe sogar das Gefühl, dass ich mit meiner Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche etwas sehr Christliches mache und Menschen viel nähergekommen bin. Ich bin dadurch Nächstenliebe und Liebe an sich viel nähergekommen. Und das ist für mich die Botschaft von Jesus gewesen. Das habe ich auch als Kind schon gespürt: Der liebt alle Menschen. Das ist doch was total Abgefahrenes. Da ist einer, der sagt, so wie ihr seid, seid ihr genau richtig. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass der Lebensentwurf meiner besten Freunde nicht in das Bild der katholischen Kirche passt. Und ich als Frau? Ja, auch nicht, wenn ich ein Amt erreichen wollen würde. Ich habe festgestellt, dass die zwei großen Institutionen, die mich als Kind geprägt haben, nämlich die katholische Kirche und der Kölner Karneval, dass die mich als weibliche Person als minderwertiges Mitglied behandeln.
In der Kirche geht es nicht ohne Frauen, die meistens ehrenamtlich in der Kirche arbeiten, während an den Machtpositionen Männer sitzen.
Viele Studien zeigen, dass es deshalb zu diesem Machtmissbrauch kommen konnte. Macht ist in diesem System nicht gerecht verteilt. Dabei gäbe es so viele fähige Frauen, die diese Jobs machen könnten. Die werden komplett ignoriert, einfach ihres Geschlechts wegen. Wenn man sich die Austrittszahlen der katholischen Kirche anschaut, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die lieber den Laden dichtmachen, als die entscheidenden Ämter gerecht zu verteilen.
Wird die katholische Kirche das überleben?
Vielleicht als kleine radikale Zelle. Es gibt ja jetzt schon Gemeinden, wo Frauen predigen. Es gibt Bischöfe, die weihen Frauen, obwohl das unter Strafe gestellt wurde nach Änderung des Kirchenrechts. Die haben das Kirchenrecht „reformiert“, der Missbrauch Minderjähriger ist jetzt strafbar. Vorher war das nur ein Verstoß gegen das Zölibat. Aber jetzt ist die Weihe von Frauen strafbar. Da kann man sich fragen, was daran eine Reform ist.
Sie beschäftigen sich seit mehr als zehn Jahren mit der katholischen Kirche – auch auf der Bühne. Muss Comedy denn aktivistisch sein?
Das muss sie nicht. Ich kenne wahnsinnig lustige Comedians, die das nicht machen. Ich für meinen Teil finde aber, dass man seine Reichweite nutzen muss. Vor allem in so verrückten Zeiten, wie wir sie gerade haben. Ich nehme meine Inhalte aus dem, was um mich herum passiert, was aktuell los ist. Da finde ich so viele absurde Dinge, vor allem, was die Bevormundung von Frauen per Gesetz angeht, die sind von sich aus einfach lustig.
Sie sind aus der Kirche ausgetreten, haben das aber nie Ihrer Oma erzählt. Warum?
Meine Oma war eine tiefgläubige Katholikin, die mehrfach in der Woche, manchmal auch mehrmals am Tag in die Kirche gegangen ist. Wenn meine Oma den Missbrauchsskandal mitbekommen hätte, wäre sie wohl nicht mehr hingegangen. Deswegen fühle ich mich doppelt betrogen. Für meine Oma und auch meine Uroma war die Kirche eine moralische Instanz, die über allem steht. Die waren nicht das, wofür man sie gehalten hat. Ich habe es keinem erzählt. Irgendwann meinem Vater, der dann gesagt hatte, dass er schon vor fünf Jahren ausgetreten ist. Und keiner hat sich getraut, es dem anderen zu sagen.
Sie sind Mitglied bei Maria 2.0, einer feministischen Bewegung.
Ich finde, alle, die sich da engagieren, sind wahnsinnig tolle Frauen, allen voran Elisabeth Kötter und Maria Mesrian. Die werden nicht müde, für die gute Sache zu kämpfen. Die beiden sind auch ausgetreten, weil ein Punkt erreicht ist, an dem man merkt, dass sich nichts ändern wird.
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Aus welchem Beweggrund entstand Maria 2.0?
Auslöser war der Missbrauchsskandal und wie die katholische Kirche damit umgeht. Darüber hinaus gab es die Idee, zu streiken. Dass sich die Frauen zusammentun, die nur die Ehrenämter besetzen und nur beim Pfarrfest einen Kuchen backen dürfen – und gesammelt in den Streik treten. Das hat dann hohe Wellen geschlagen. Der Verein hat viel Aufmerksamkeit bekommen, hat einige Mitglieder gewonnen und engagiert sich sehr in der Opferentschädigung. Das ist eine wichtige Stimme geworden.
Sie veranstalten nächstes Jahr ein Festival, bei dem ausschließlich weibliche Acts auftreten. Warum das?
Man muss bei Festivals mit der Lupe suchen, um Acts zu finden, bei denen eine Frau beteiligt ist. Das ist etwas, worüber sich alle bewusst sind, aber es ändert sich ja nichts. Wenn man fragt, warum das so ist, kommt immer als Antwort: „Es gibt halt keine.“ Das ist Mist! Es gibt diese Frauen, es gibt diese Bands mit Frontfrauen oder welche, die komplett weiblich besetzt sind, aber die bekommen nicht genug Platz. Wenn bei einem Festival eine Band mit Frontfrau spielt, ist das gefühlt schon zu viel Frau. Dann wird nicht auch noch eine andere Frau angefragt. Wir haben Lust, dieses Festival zu machen. Aus einer verrückten Idee ist für einige Menschen ein Fulltime-Job geworden. Und unsere Kanäle platzen vor Bewerbungen. Wenn mir noch mal jemand sagt, es gäbe keine weiblich besetzten Bands, kann ich nur noch lachen. Wir könnten fünf Festivals machen.
Zur Person
Carolin Kebekus
Die Künstlerin (geboren am 9. Mai 1980) wuchs in Köln auf, kam nach dem Abitur als Praktikantin zu „Freitag Nacht News“ bei RTL. Hugo Egon Balder soll sie dazu gebracht haben, Schauspielunterricht zu nehmen. Bekannt wurde sie durch „Pussy Terror TV“. Heute ist sie Sängerin, Schauspielerin, Synchronsprecherin, Hörbuchsprecherin, Moderatorin und Produzentin. Jüngst ist ihr Buch „Es kann nur eine geben“ erschienen. Seit dieser Woche läuft ihre Weihnachtsshow „The Last Christmas Special“ im Internet auf Netflix.