Ein Bild von hohem Erinnerungswert: die hochschwangere Carme Chacón schreitet am 19. April 2008 im afghanischen Herat die Front der spanischen Soldaten ab. Foto: AP

Als hochschwangere Verteidigungsministerin an der Front in Afghanistan hat sie sich international einen Namen gemacht. An diesem Sonntag ist die spanische Sozialistin Carme Chacón mit lediglich 46 Jahren gestorben. Der ganz große Aufstieg blieb ihr verwehrt.

Madrid - Das Bild ging um die Welt und ist in Spanien unvergessen: Am 19. April 2008 schritt Carme Chacón die Front einer Ehrenformation spanischer Soldaten im afghanischen Herat ab, mit ernstem Blick, in heller Kleidung, hochschwanger. Sie war damals gerade 37 Jahre alt und stand seit fünf Tagen als erste Frau an der Spitze des spanischen Verteidigungsministeriums. „Es war ein Schritt, den Spanien gehen musste, und er wurde von der Gesellschaft und den Streitkräften gut akzeptiert“, erinnerte sie sich noch vor ein paar Tagen in einem Interview mit einem kolumbianischen Radiosender.

An diesem Sonntag ist Chacón in Madrid gestorben. Sie hinterlässt ihren achtjährigen Sohn, den sie einen Monat nach ihrem aufsehenerregenden Truppenbesuch zur Welt brachte.   Chacón litt unter einem angeborenen Herzfehler. Die Ärzte rieten ihr zu einem ruhigen Leben, aber sie hielt sich nicht an den Rat. „Für mich sind alle Tage ein Geschenk“, sagte sie, und sie wollte aus diesem Geschenk etwas machen.

Schwergewicht der Zapatero-Regierung

Mit 16 trat sie in ihrem katalanischen Heimatort Esplugas de Llobregat der Jugendorganisation der Sozialisten (PSOE) bei. Im Jahr 2000, mit 29, wurde sie zum ersten Mal als Abgeordnete ins spanische Parlament gewählt. 2007 ernannte sie der damalige sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero zur Wohnungsbauministerin, ein Jahr später zur Verteidigungsministerin. Da erwartete sie ein Baby, aber „eine Schwangere ist keine Kranke“, sagte sie. „Es ist bestimmt härter, den ganzen Tag an einer Kasse zu stehen.“

Kaum ernannt, machte sie sich auf den Weg zum Truppenbesuch nach Afghanistan und in den Libanon. „Ich wollte den Dank der Gesellschaft für diejenigen ausdrücken, die sich in Gefahr bringen, damit es Frieden in Konfliktregionen gibt.“   Die immer ernste, nie lautstarke Ministerin wurde zu einem politischen Schwergewicht in der Zapatero-Regierung. Als deren Zeit im Herbst 2011 zu Ende ging, mitten in der schweren Wirtschaftskrise, brachte sich Chacón als Spitzenkandidatin der Sozialisten für die anstehenden Parlamentswahlen ins Gespräch, aber im letzten Moment zog sie zugunsten des damaligen Innenministers Alfredo Pérez Rubalcaba zurück. Als der die Wahlen gegen den Konservativen Mariano Rajoy verlor, wagte Chacón einen neuen Versuch: Im Februar 2012 kandidierte sie für das Amt der PSOE-Generalsekretärin, aber bei der Abstimmung des Parteitags unterlag sie Rubalcaba mit 465 gegen 487 Stimmen. Ihr Traum, als erste Frau in den Madrider Moncloa-Palast, die Residenz des spanischen Regierungschefs, einzuziehen, ging nicht in Erfüllung.

„Nie waren wir einer besseren Zukunft so nahe wie mit dir, Carme“

Chacóns überraschender Tod erschütterte politische Freunde wie Gegner. Die jetzige konservative Verteidigungsministerin Dolores de Cospedal würdigte den „herausragenden politischen Werdegang“ ihrer Vorgängerin. Zwei ehemalige Kabinettskolleginnen, Leire Pajín und Bibiana Aído, schrieben in einem Nachruf: „Nie waren wir einer besseren Zukunft so nahe wie mit dir, Carme. Heute wären wir in der besten PSOE, in der besten Gegenwart.“

Ob die Sozialisten mit Chacón an der Spitze besser gefahren wären, bleibt offen. Fest steht, dass die PSOE kriselt: als eine unter mehreren Oppositionsparteien, seit Monaten bloß mit geschäftsführendem Vorstand. Im Mai sollen die Mitglieder den neuen Generalsekretär bestimmen. Aussichtsreiche Kandidatin ist die andalusische Ministerpräsidentin Susana Díaz.