Im Workshop trainieren die Teilnehmer ihre Schlagfertigkeit. Foto: Caritas

Mit einem neuen Workshop-Format sagt die Caritas den Stammtischparolen den Kampf an. Im Café DA im Bohnenviertel lernen die Teilnehmer, wie man am besten gegen platte Vorurteile argumentiert.

Stuttgart - Sprüche vom Stammtisch hat jeder schon mal gehört. „Die Merkel macht unser Land kaputt“ oder „Flüchtlinge nehmen uns unsere Arbeit weg“ sind nur zwei davon. Doch was kann man dagegen unternehmen? Das Freiwilligenwerk Caleidoskop, das zur Caritas gehört, veranstaltet deshalb einen Workshop unter dem Motto „Kneipentour gegen Stammtischparolen“. Im Café DA im Bohnenviertel lernen die Teilnehmer, wie man am besten gegen platte Vorurteile argumentiert. „Wir möchten Menschen jeden Alters die Möglichkeit geben, sich gegen so etwas zu wehren. Hier im Café fühlt sich das realistischer an als in einem nüchternen Seminarraum“, sagt die Projektleiterin Nadja Wenger. Die Idee zu dem neuen Workshop-Format kam ihr während des Plakatierens für eine frühere Kampagne: „Damals haben wir mit unserer Aktion für mehr Verständnis für Flüchtlinge geworben. Wir haben auf der Königstraße anschließend Menschen gefragt, was sie von den Plakaten halten, vor denen sie standen.“ Die Antwort war ernüchternd: „Wir haben sehr viel negative Resonanz bekommen. Oft waren klassische Stammtischparolen dabei.“

Einer muss die Sprüche klopfen

Dieses Erlebnis hat Nadja Wenger dazu bewogen, ein Debattentraining anzubieten. Anfangs sollen alle Anwesenden ihnen bekannte Stammtischparolen nennen, die dann an eine Tafel geschrieben wurden. Danach setzten sie sich in Vierergruppen zusammen diskutieren darüber. Die Schwierigkeit: Einer von den vieren muss in die Rolle des Sprücheklopfers vom Stammtisch schlüpfen. „Das war schon eine seltsame Situation“, sagt Gisela Vey. „Solche Aussagen erschüttern mich regelrecht.“

Häufig hat sie schon die Erfahrung gemacht, dass sie trotz der Argumente nicht zu ihrem Gegenüber durchdringen konnte. „So etwas trifft mich wirklich persönlich. Dagegen will ich etwas tun.“ Ein gefestigtes rechtes Weltbild könne man mit Argumenten schwer entkräften, wirft Nadja Wenger ein. „Doch das ist nicht der Regelfall. Die meisten Menschen hören einem zu, wenn man etwas zu sagen hat.“

Das Problem: der Stammtisch lässt meist nicht viel Zeit zum Argumentieren. Deshalb erhöht die Projektleiterin die Schwierigkeit. Teilnehmer haben zum Antworten nur eine Minute Zeit. „Mehr bekommst Du am Stammtisch nicht“, sagt sie. Dass es dadurch schwieriger wird, bekommen alle sehr schnell zu spüren. Kaum hat man angefangen zu reden, ist die Zeit schon abgelaufen. „Stammtischparolen haben zwei einfache Vorteile: Sie sind kurz und jeder versteht sie“, erklärt Wenger. Deshalb sei es auch wichtig, prägnant zu bleiben: „Fakten sind wichtig, doch man sollte seine Meinungen nicht damit überfrachten, eine Zahl pro Aussage reicht.“

Weitere Projekte dieser Art geplant

Stammtische, wie sie im Buche stehen, gäbe es heute eher selten. Facebook und Twitter hätten diese Rolle übernommen, meint Irene Bär. Die Leiterin von Youngcaritas Deutschland ist nach Stuttgart gekommen, um Ideen vom Workshop mitzunehmen. „Die Hemmschwelle sinkt einfach, wenn man anonym mit Personen diskutieren kann. Das wollen wir nicht einfach so hinnehmen. Wir überlegen uns deshalb, selbst Projekte wie dieses ins Leben zu rufen.“ Für Stuttgart sind schon weitere Projekte dieser Art geplant. „Es wird auf jeden Fall weitere Workshops geben“, sagt Wenger. „Wir befinden uns gerade noch in Gesprächen. Sobald Termine bekannt sind, werden sie auf der Webseite von Youngcaritas veröffentlicht.“ Irene Bär freut das: „Ich finde die Lage zur Zeit schon dramatisch. Streitigkeiten gehen sehr schnell auf die persönliche Ebene. Dann tauchen plötzlich Beleidigungen gegen einen auf und das kann schon sehr verletzen.“

Dagegen hat Nadja Wenger zum Schluss noch ein nützlichen Tipp: „Manchmal kann es auch nicht schaden, mit Humor zu reagieren.“ So nehme man Leuten mit flotten Sprüchen schnell den Wind aus den Segeln. „Wenn jemand sagt, dass uns die Ausländer alle Arbeitsplätze wegnähmen, könntest du entgegnen ,Ich wusste gar nicht, dass du einmal Besitzer einer Dönerbude warst‘.“