Historikerin Claudia Weinschenk (l.) und Ex-Bezirksvorsteher Wolfgang Meyle (3.v.r) führten die Gruppe durch Zuffenhausen. Foto: Susanne Müller-Baji

Die Caritas erkundet die Geschichte der Stadtbezirke, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Zuffenhausen - Es war schon ein buntes Grüppchen, das da am Dienstag in Zuffenhausen unterwegs war: Historikerin Claudia Weinschenk führte Mitarbeiter und Gäste der Caritas und der Mobilen Jugendarbeit durch die Geschichte des Stadtbezirks. Wolfgang Meyle, ehemaliger Bezirksvorsteher und zweiter Vorsitzender des Fördervereins der Mobilen Jugendarbeit, ergänzte mit fundiertem Wissen. Und auch Polizeihauptkommissar Werner Mast vom Zuffenhäuser Revier war mit von der Partie. Ziel des ungewöhnlichen Stadtrundganges: Mehr über die historische Entwicklung des Fleckens erfahren und daraus Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen – frei nach Theodor Heuss, der gesagt hat: „Nur wer weiß, woher er kommt, der weiß auch, wohin er geht.“

Zum Auftakt traf man sich in den Räumen der Mobilen Jugendarbeit an der Lothringer Straße und erlebte dort zunächst Ortsgeschichte im Schnelldurchlauf von der Steinzeit über Uffo, den Namensgeber der alemannischen Siedlung, bis zu den Flüchtlingsströmen der Nachkriegszeit. Was Claudia Weinschenk nicht wissen konnte, steuerte Wolfgang Meyle bei, der immerhin 28 Jahre Bezirksvorsteher in Zuffenhausen gewesen ist. Dennoch stellt sich die Frage, ob es für das Anliegen nicht besser gewesen wäre, sich mehr mit Zeitzeugen zu unterhalten, statt sich vornehmlich auf das doch sehr theoretische Wissen einer Historikerin zurückzugreifen.

Denn im Grunde geht es bei den von der Caritas initiierten Stadtbegehungen darum, zu erkennen, warum Menschen zuziehen, wie sie besser in die Gesellschaft integriert werden können, und was sich dadurch auch für die Gesamtbevölkerung verändert. Es geht darum, aus einer Entwicklung zu lernen, die mit dem Zuzug der Fabrikarbeiter zu Zeiten der Industrialisierung ihren Anfang fand, mit den Flüchtlingsströmen der Nachkriegsjahre einen ersten Höhepunkt erlebte und durch die Gastarbeiter der Wirtschaftswunderjahre und die heutige Arbeitsmigration weiter anhält. Oder wie Meyle es auf den Punkt brachte: „Erst kamen die Donauschwaben, die Oberschlesier und die Ostpreußen, und später dann die italienischen Gastarbeiter oder die Türken.“

Erst die Eisenbahnanbindung brachte Arbeitsplätze

Integriert wurden die allermeisten von ihnen, auch wenn das nicht immer ohne Konflikte ablief: Claudia Weinschenk berichtete von den Zwangseinquartierungen der Kriegsflüchtlinge, die für böses Blut gesorgt hatten. Wolfgang Meyle sagte, dass der Katholizismus im Grunde erst mit den Migranten nach Zuffenhausen kam, die schon allein deshalb äußerst misstrauisch beäugt und oft auch geschnitten wurden. Und Werner Mast erinnerte sich an die frühen Jahre seines Polizeidienstes, in denen der als Antwort auf den enormen Zuzug gebaute Stadtteil als „heißes Pflaster“ galt.

Sechs Bereiche werden durch die Stadtbegehungen vor der Sommerpause erkundet: Feuerbach, Degerloch/Fasanenhof, Zuffenhausen, Rot/Freiberg/Mönchfeld, Süd und Nord. Im September will man dann bei einem zweiten Veranstaltungsblock die Erkenntnisse austauschen. Um was könnte es dabei konkret gehen? Jutta Jung, Fachdienstleiterin Mobile Jugendarbeit und Schulsozialarbeit, erläutert: Wenn die Werkrealschule an der Hohensteinschule schließt, muss man sich fragen: Wandern dann die Jugendlichen ab? Wo treffen sie sich in Zukunft? Wenn wir das wissen, können wir präventiv eingreifen.”

Dass der Blick in die Ortsgeschichte auch neue Sichtweisen eröffnet, zeigte ein Fazit von Wolfgang Meyle: Er hatte erklärt, dass im Grunde erst die Eisenbahnanbindung die großen Fabriken und damit Arbeitsplätze nach Zuffenhausen gebracht habe: „Zuvor war es ja über Jahrhunderte so, dass die Menschen von hier weg mussten und auswanderten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Erst mit der Industrialisierung hat sich das umgekehrt, und die Leute kommen zu uns. Das ist doch positiv!“