Alle an Bord: Hansen (li.) mit seinem weißen Schäferhund, Paul und Anna mit Momo. Foto: Hoepner und Hoepner

Die Zwillinge Paul und Hansen Hoepner sind Spezialisten für Reiseabenteuer. Auf die letzte Tour kamen auch Pauls jetzige Ehefrau Anna und die achtmonatige Tochter mit.

Die Zwillinge Paul und Hansen Hoepner verbindet die Leidenschaft für außergewöhnliche Reisen: 2012 sind mit dem Rad 13 600 Kilometer von Berlin bis nach Schanghai gefahren. 2015 wollten sie ohne Geld die Welt in 80 Tagen umrunden. Nach 104 Tagen hatten sie es geschafft. 2022 haben sie sich in neuer Konstellation auf den Weg gemacht: Hansen nahm seinen weißen Schäferhund mit, den er aus der Ukraine gerettet hatte, Paul seine heutigen Frau Anna sowie die acht Monate alte Tochter Momo. Die Truppe reiste auf einem umgebauten, mit Solarpaneelen betriebenen Boot von Berlin nach Athen. Geplant waren sechs Monate, geworden sind es 14.

 

Wir sprachen mit Paul und Anna über den Reiz ihrer Art des Reisens.

Das umgebaute Boot mit ausgefahrenen Sonnenpaneelen Foto: Hoepner und Hoepner

Anna und Paul, was reizt Sie am sogenannten unabhängigen Reisen?

Anna Man reist mit Haut und Haaren und bekommt ein Gefühl für das Land. Wenn ich jeden Morgen im Hotel esse, bekomme ich von Land und Leuten nichts mit.

Paul Wenn man etwa mit dem Zelt reist, hat man sein Haus immer dabei und kann spontan die Route ändern. Dabei lernt man normale Bewohner kennen und nicht nur solche, die mit Touristen zu tun haben.

Paul, Sie und Ihr Bruder Hansen sind 2012 von Berlin nach Schanghai geradelt. Was hat sie dazu bewogen?

Paul Es tut einfach manchmal gut, einen Cut im Leben zu machen. Hansen und ich hatten dabei möglichst wenig Kontakt mit der Heimat. Das hat etwas Befreiendes.

Wie unerschrocken muss man denn sein, um eine Reise mit dem Boot oder auf dem Fahrrad anzutreten?

Paul Ich sehe das nicht so dramatisch. Um beim Rad zu bleiben: Zunächst ist das eine Fahrradtour. Man legt kleine Schritte zurück. Erst ist man noch in Deutschland, dann Polen, dann in Litauen. Und man hat immer die Möglichkeit abzubrechen.

Abbrechen: Ist das ein wichtiger Punkt?

Paul Ja, aber es ist leichter gesagt als getan.

Anna Das ist auch Typsache, oder?

Paul Das auch. Was man sich aber klar machen sollte: Es wäre falsch, die Reise vor lauter Angst vor schwierigen Situationen erst gar nicht anzutreten. Das ist wie der Scheinriese bei Jim Knopf. Je näher man den potenziellen Gefahren kommt, desto kleiner werden sie. Man wächst in die Situationen rein.

Anna Ich glaube auch, dass sich ein Gefühl für die Reise entwickelt. Während der Bootsreise waren wir irgendwann auch Profis, was das Boot angeht. Unsere Route wurde immer anspruchsvoller, erst Kanäle, dann Flüsse, dann das Meer. Einmal waren die Wellen auf dem Meer wild. Wäre das am Anfang gewesen, wäre ich nicht so entspannt gewesen.

Die Mannschaft an Bord Foto: Hoepner und Hoepner

Das Abenteuer von dem Sie, Anna, sprechen, war die Reise 2022 auf einem selbst umgebauten Boot. Wie schafft man es, sich auf so engem Raum nicht an die Gurgel zu gehen?

Anna Man hat keine andere Wahl, als sich Konflikten zu stellen. Paul und Hansen waren als Brüderduo eingespielt. Ich kam dazu.

Paul Streitkultur gehört auch dazu. Wenn ich Leute begleite, die solche Reisen machen wollen, ist einer meiner Tipps: Geht nicht davon aus, dass ihr die ganze Zeit happy sein werdet. Geht davon aus, dass ihr euch mehr streiten werdet als jemals zuvor und es anstrengend wird. Ihr müsst es schaffen, euch wieder zu vertragen.

Anna Für die Beziehung ist es in dem Moment anstrengend, aber das Ergebnis ist positiv.

Inwiefern?

Paul Wir haben uns gesagt: Dieses Boot ist für uns der Beziehungsschnellkochtopf. Da kamen alle Themen auf den Tisch. Und auch die Beziehung zwischen Anna und mir hat einen Quantensprung gemacht. Am Ende hatten wir uns entschieden zu heiraten.

Und wie ging es Ihrer Tochter Momo? Sie war ja noch ein Baby.

Paul Wir hatten gedacht, wenn wir abbrechen müssen, dann wird Momo der Grund dafür sein. Aber gerade im Babyalter, wenn Mama und Papa da sind, sind Kinder extrem zufrieden. Am besten in einer so kleinen Höhle wie dem Boot. Sie hat es geliebt.

Wie sehr ist man auf einer unabhängigen Reise dann doch von anderen abhängig?

Paul Die Abhängigkeit ist etwas, was man plant und auch will. Bei der Bootsreise ist in Kroatien alles schief gegangen, was man sich vorstellen kann. Und dann trifft man so einen lokalen Engel, der einem hilft und sich zur Aufgabe macht, den Fremden, die mühevoll angereist sind, eine gute Zeit zu bereiten.

Was wurde für Sie auf dieser Reise zum Luxus?

Anna Der Kühlschrank und wie einfach es ist, sich daheim einen Kaffee zu kochen.

Paul Auch das Duschen. Im Sommer war es problemlos möglich mit Wasser aus dem Fluss. Aber im Winter auf der Donau, die Häfen hatten zu und es herrschten Minusgrade. Geht aber auch.

Macht Reisen toleranter?

Paul Absolut. Man lernt nicht nur andere Kulturen kennen, sondern auch andere Menschen. Reisen ist das beste Mittel gegen Rassismus und Fremdenhass.

Welche Erkenntnisse haben Sie für sich mitgenommen aus Ihren Reisen?

Anna Für mich: Ich schaffe mehr, als ich mir zugetraut habe. Für unsere Beziehung: Uns kann kein Problem auseinanderbringen.

Paul Dem hätte ich nichts hinzuzufügen. Was mir zudem klar geworden ist: Nicht nur der Weg ist das Ziel. Aufbrechen ist das Ziel.

Zu den Personen

Hansen Hoepner
wurde 1982 in Singen geboren, fünf Minuten vor seinem Bruder Paul. Nach seinem Produktdesign- und Fotografiestudium an der Akademie für Bildende Künste in Maastricht arbeitete er beim Interiordesigner Maurice Mentjens. Derzeit ist er als selbstständiger Produktdesigner und -entwickler tätig.

Paul Hoepner
verbrachte nach seinem Abitur ein Jahr in Australien. Nach seiner Rückkehr machte er in Köln sein Diplom in Mediendesign und Human Factors. Seitdem war er als Projektmanager und Produktentwickler tätig. Die Brüder haben bereits drei Bücher über ihre Abenteuer veröffentlicht und halten regelmäßig Vorträge.

Anna König
wurde 1991 in Tübingen geboren. Die Sozialpädagogin studiert Theaterpädagogik. Anna und Paul wurden 2021 Eltern einer Tochter, Momo. Das Paar lebt in Berlin.