Eine der ersten Darstellungen vom Rasensport auf dem Wasen wurde 1893 veröffentlicht Foto: Philipp Heineken, Die beliebtesten Rasenspiele

Die neue Schau im Stadtmuseum beleuchtet auch die Geschichte des Cannstatter Wasens.

Bad Cannstatt - Der erste Fußballplatz im Stuttgarter Raum war er sicher, wahrscheinlich auch der erste in Württemberg und möglicherweise der erste in ganz Deutschland. Für Arnulf Klett war er der Nabel der Welt. So zumindest bezeichnete der ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister den Cannstatter Wasen in seiner Volksfestrede im Jahr 1959. Von 1818 an wurde ein Teil des Geländes am Neckarufer als Platz für das Volksfest genutzt. Zuvor diente die Wiese als Viehweide. In den ufernahen Bereichen wurden Weiden für die Cannstatter Korbmacher angebaut.

Dieses Bild veränderte sich im 19. Jahrhundert: „Zwischen 1819 und 1821 kaufte der Staat von der Stadtgemeinde Cannstatt circa 13 Hektar des Wasens, um einen Exerzierplatz anzulegen“, sagt der Historiker Manfred Schmid vom Planungsstab Stadtmuseum. Diese Fläche wurde nach und nach auf 150 Hektar vergrößert, bis der militärisch genutzte Teil des Wasengeländes den größten Bereich ausmachte. Bis zum Ersten Weltkrieg war der Wasen Übungsplatz für das Militär und Schauplatz großer Paraden. Anlässlich des Besuchs des deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1909 bestaunten an die 100.000 Besucher die Übungen der württembergischen, preußischen und bayerischen Truppen.

Von jeher war der Wasen ein Veranstaltungsort

Der Wasen wurde zu dieser Zeit nicht nur als Exerzierplatz genutzt, sondern auch als erster Flugplatz Stuttgarts: „Luftfahrtpioniere wie Ernst Heinkel oder Helmuth Hirth machten dort ihre ersten Flugversuche“, sagt Schmid. Auch als Landeplatz für den Zeppelin sowie als Startplatz für Ballonfahrten war der Wasen bekannt.

Von jeher war der Wasen ein Veranstaltungsort. 1907 versammelten sich rund 30.000 Menschen zu einer Großkundgebung anlässlich des sechsten Internationalen Sozialistenkongresses. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und August Bebel. Auch Freizeitvergnügen aller Art sind schon lange auf dem Wasen zuhause: „1890 gastierte der berühmte Buffalo Bill mit seiner Wildwest-Show für sechs Tage auf dem Cannstatter Wasen“, erzählt Schmid.

Fußlümmelei und Stauchbeinspiel

Wann genau auf dem Wasen zum ersten Mal Fußball oder dessen Vorläufer Rugby gespielt wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit feststellen. Der englische Schüler William Cail erinnert sich daran, im Jahr 1865 dort gekickt zu haben. „Möglich wäre aber, dass andere englische Schüler diesen Sport mitbrachten und vielleicht auch in anderen deutschen Städten bereits früher gespielt haben“, sagt Schmid.

Noch konnte der Ballsport allerdings nicht mit der Beliebtheit anderer Spektakel mithalten – im Gegenteil. Der Fußball wurde als Fußlümmelei und Stauchbeinspiel verunglimpft und 1895 sogar für einige Jahre auf dem Wasen verboten. Erst als in Preußen eine Verordnung erlassen wurde, Sportvereine zu unterstützen, durfte auf dem alten Exerzierplatz wieder gekickt werden. „Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erkannte die Stadtverwaltung die wachsende Bedeutung und das steigende Interesse an den neuen Ballsportarten und entschloss sich, ein Stadion auf dem Wasen zu bauen“, sagt Schmid. Die Sportstätte mit 7000 Tribünenplätzen und 15.000 Stehplätzen wurde am 24. Mai 1914 eingeweiht.

Durch eine glimmende Zigarettenkippe in Brand geraten

Schon wenig später diente der Sportplatz allerdings als Behelfsunterkunft für Italiener, die als Kriegsgegner auf ihre Abschiebung warteten. Diese hatten sich in der Holztribüne wohnlich eingerichtet. Wahrscheinlich ist die Tribüne durch eine glimmende Zigarettenkippe in Brand geraten und am 11. August 1914 völlig niedergebrannt. Fünf Jahre später wurde auf dem Gelände der neue Sportplatz eingeweiht. Zur gleichen Zeit wurden die militärischen Übungen reduziert, und auf einem großen Teil des Exerzierplatzes wurde Gemüse angebaut.

Der 1912 aus der Fusion von Kronenclub Cannstatt und Fußballverein Stuttgart entstandene VfB spielte in diesem Stadion, bis die Stadt beschloss, das Volksfestgelände zu erweitern und für den Verein an der Untertürkheimer Gemarkungsgrenze ein neues Stadion zu bauen. Im August 1937 wurde dieser Platz eingeweiht, beim ersten Spiel am 19. August trennten sich der VfB und die Stuttgarter Kickers mit 4:4. Die Anlage wurde am Ende des Zeiten Weltkriegs bei Luftangriffen beschädigt und konnte nicht mehr benutzt werden. Von Dezember 1945 an spielte der VfB in der ehemaligen Adolf-Hitler Kampfbahn, die vielen heute noch als Neckarstadion ein Begriff ist. Inzwischen wurde die Anlage zu einem reinen Fußballstadion umgebaut und heißt Mercedes-Benz-Arena.