Heiko Schierenbeck klagt gegen den Tüv. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Ein Volksfest ohne Achterbahnen und Riesenräder? Eigentlich unvorstellbar. Doch so sehe die Zukunft aus, fürchten Schausteller Heiko Schierenbeck und seine Kollegen. Schärfere Auflagen und in der Folge höhere Kosten würden sie in ihrer Existenz bedrohen. Dagegen ziehen sie vor Gericht.

Stuttgart - Heiko Schierenbeck betreibt die Achterbahn „Dark Hole“, da rast man auf den Wagen durchs Dunkle. Momentan steht er mit seinem Geschäft auf dem Wasen. Doch viel mehr Zeit als sein Beruf fordert gerade sein Ehrenamt. Er ist beim Bundesverband der Schausteller und Marktkaufleute Fachberater für Fahrgeschäfte. Er schreibt Eingaben, redet mit Politikern, folgt Debatten in diversen Landtagen, streitet mit Ministerien und dem Tüv und beruhigt die Kollegen. „Uns geht es an den Kragen“, sagt er. Klar, die drastische Wortwahl hat natürlich damit zu tun, dass jede öffentliche Äußerung Lobby-Arbeit ist.

Schierenbeck kämpft als Stellvertreter gegen den „Bürokratiewahnsinn“. Worum geht es? Bisher mussten Karussells & Co., die so genannten Fliegenden Bauten, in Deutschland die DIN-Norm 4112 erfüllen. Konstruktion, Statik, letztlich die Sicherheit sind darin geregelt. Ähnliches gab es auch in anderen Ländern, um die Vorschriften zu vereinheitlichen, entstand eine neue EU-Richtlinie. In Technikerdeutsch heißt sie DIN EN 13814. Schierenbeck kann auswendig zitieren, was im Vorwort steht: „Dieses Dokument betrifft nicht Fliegende Bauten, die vor der Veröffentlichung dieses Dokuments gebaut wurden.“

Eigentlich eindeutig, oder? Für alle anderen Länder ja, die handhaben dies so. In Deutschland allerdings will man die neuen Vorschriften auch auf die älteren Fahrgeschäfte anwenden. Warum? „Das Sicherheitsniveau ist neu definiert worden“, hat Christian Lander, der Vorsitzende des Arbeitskreises Fliegende Bauten innerhalb der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz, der „Welt am Sonntag“ gesagt. Die alte Norm reiche nicht aus, das Sicherheitsniveau auf einem vernünftigen Maß zu halten, sagt Lander. Eine Statistik zu Unfällen hat er allerdings nicht parat. Doch er weiß: „Die Zahl ist erheblich.“

29 Unfälle von 2003 bis 2013

Schierenbeck weiß es ganz genau. Die Schausteller erheben diese Zahl. 29 Unfälle gab es von 2003 bis 2013, „und das bei einer guten Milliarde Karussellfahrten in diesem Zeitraum.“ Da könne man doch nicht davon reden, dass die Fahrgeschäfte unsicher seien. Außerdem würden die Fahrgeschäfte auf jedem Festplatz abgenommen.

In Stuttgart macht dies der Tüv Süd. „Sie haben die völlig absurde Situation, dass der Tüv mir einerseits bescheinigt, meine Achterbahn ist sicher“, sagt er, „andererseits soll ich auf Betreiben des Tüv nachrüsten, weil ich meine Anlage nach der neuen Norm sonst nicht mehr betreiben darf.“ Und natürlich koste das einen Haufen Geld. Bei einer großen Achterbahn ungefähr 100 000 Euro. „Das ist allein der Prüfbericht des Tüv.“ Ohne das Nachrüsten. „Das ist ein gigantisches Geschäft, da wird auf unsere Kosten richtig Geld verdient.“

Erklären konnte ihm bisher auch niemand, warum die EU-Norm nur für Fahrgschäfte auf Reisen gilt, nicht aber für stationäre Anlagen. „Die Wilde Maus auf dem Volksfest braucht eine neue Genehmigung, jene im Europapark Rust aber nicht“, sagt Schierenbeck, „warum?“

Diese Frage muss nun der Tüv Nord beantworten. Nachdem Schierenbeck bereits vor dem Verwaltungsgericht gesiegt hatte, weil er argumentiert hatte, die neue Norm sei rechtswidrig, weil sie faktisch eine Enteignung bedeute, hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nun vom Tüv gefordert, nachzuweisen ob die geforderten Umbauten tatsächlich der Sicherheit dienten. Sei dies nicht der Fall, handele es sich um eine „Luxusnorm“. Und ist damit überflüssig.