Manuel Flickinger (links), Reality-Promi vom „Dschungelcamp“ und „Prinz Charming“, führt durch den Abend beim traditionellen Gaydelight im Zelt des Wasenwirts. Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttgart

Wenn die Nacht in Farben tanzt, die Stimmung überkocht – dann ist Gaydelight, dann erreicht der Wasen-Wahnsinn einen Höhepunkt. Die Party ist laut, stolz und bunt.

Schon beim Betreten des prall gefüllten Wasenwirt-Zelts merkt man: In dieser Nacht herrscht Ausnahmezustand. Es ist rappelvoll, zwischen den Tischreihen muss man sich durchkämpfen, um voranzukommen. Auf den Bänken tanzen Hunderte voller guten Laune zu Songs wie „Liebe auf der Rückbank“ oder „Er gehört zu mir“ – der perfekte Soundtrack für eine Nacht, die im Zeichen von Liebe und Sichtbarkeit steht.

 

Durch den Gaydelight-Abend führt Reality-Promi Manuel Flickinger, bekannt aus „Prince Charming“ und dem Dschungelcamp. „Love loud, be proud“, ruft er ins Mikrofon – seine Botschaft an alle Gäste: zu sich selbst zu stehen und das Leben zu feiern. Tagsüber arbeitet Flickinger ganz seriös als Justizsekretär am Amtsgericht, in seiner Freizeit ist er deutschlandweit in schillernden Outfits auf CSDs unterwegs, kämpft für LGBTQ-Rechte und Lebensfreude für alle. Er zählt zur schrillen Seite der Community, doch es gibt auch die Normalos, die nicht auffallen.

Zwischen Party und Haltung

Auch, wenn die Veranstalter erstmals seit Jahren bewusst auf politische Reden von CSD-Vertretern verzichtet haben („da hört eh niemand zu“), ist Gaydelight mehr als eine Party. In Zeiten, in denen queere Menschen vielerorts um ihre Rechte bangen, geht es beim gemeinsamen Feiern ums Loslassen, ums Freisein, um den Stolz, der auch stark macht. Und genau dies wird damit politisch: Wer seinen Stolz zeigt, liebt, tanzt und lacht, sendet ein Zeichen für Toleranz und Zusammenhalt.

Veranstalter Theo Pagliarucci (Zweiter von links) und Host Manuel Flickinger (Mitte) mit Vertretern des CSD Stuttgart. Foto: pride

Unterm gewellten und farblich gestreiften Zeltdach entsteht ein Safe Space, an dem sich alle willkommen fühlen dürfen, egal, wen sie lieben oder wie sie leben. Die CSD-Leute sollen zwar nicht ans Mikrofon, um zu reden, aber sie sind mit der Veranstaltung weiterhin eng verbunden. Der Erlös der Tombola geht an den CSD-Vereins.

Von der Provokation zur Institution

Dass eine solche Veranstaltung auf dem Wasen überhaupt möglich wurde, ist Theo Pagliarucci zu verdanken. Inspiriert vom „Gay Sunday“ auf dem Münchner Oktoberfest brachte er die Idee vor mehr als 25 Jahren nach Bad Cannstatt.

Mit dem Wasenwirt war der Schausteller eng verbunden. Denn er war mit Andrea Weeber liiert, der Tochter des Patriarchen, die heute mit ihrem Bruder Fritz Weeber den Zeltbetrieb leitet. Der damals dunkelblonde Pagliarucci stieß zur Familie dazu, als er sich „mit 16 oder 17 Jahren“ in die Tochter verliebte. Damals war ihm noch nicht klar, dass ihm eines Tages auch Männer gefallen würden. Die beiden wurden Eltern eines Sohnes. Ans Heiraten dachten sie nicht. „Das war damals nicht so angesagt“, sagt er.

Liebe ist bunt, Liebe ist laut, Liebe ist stolz

Es kam zur Trennung, Pagliarucci zog nach Hamburg zu dem Schauspieler André Eisermann („Schlafes Bruder“), ebenfalls einem Schaustellerkind. Irgendwann erfolgte die Rückkehr nach Stuttgart, die Rückkehr zum Volksfest beim Schaustellerbetrieb Weeber. Sein Wunsch ist, dass die von ihm trotz aller Widerstände konsequent aufgebaute Marke und Partyreihe Gaydelight noch lange erhalten bleibt, auch wenn er sich langsam davon altersbedingt zurückzieht.

Vor über 25 Jahren sorgte die Idee einer schwul-lesbischen Wasenparty noch für Aufregung. Heute ist Gaydelight eine feste Größe – ausverkauft, ausgelassen und die vielleicht wildeste Party des Volksfestes, die auch viele Heteros anlockt. Vom Personal hört man: An diesem Abend gibt es so viel Trinkgeld wie sonst nie. Die Nacht wird zu einem wogenden Meer aus Farben und fröhlichen Gesichtern. Die Botschaft bleibt dieselbe: Liebe ist bunt, Liebe ist laut, Liebe ist stolz.