Am Bildschirm und über Funk verfolgen die Beamten das Geschehen auf dem Platz. Foto: Lichtgut/Kovalenko

Die Videoüberwachung des Wasens ermöglicht den Beamten ein schnelleres Eingreifen, da die Polizei nun selbst auf den Bildschirm schaut.

Stuttgart - Wenn sich die Menschen nach der Arbeit in Dirndl und Lederhose zwängen und in die Festzelte strömen, lassen Philipp Kriegsmann und Michael Keil den Rollladen runter. Für sie beginnt nun der Dienst. Die Polizeibeamten sitzen in den Räumen der Sicherheitsfirma SDS am Bildschirm und lassen die elektronischen Augen der Überwachungskameras über das Gelände schweifen.

Dass hier die Bilder vom Cannstatter Volksfest auflaufen, ist nicht neu. Die Sicherheitsfirma hat die Kameras schon seit Jahren hängen, an den Eingängen des Festgeländes findet man Hinweise darauf. Neu ist in diesem Herbst auf dem Wasen, dass mit Keil und Kriegsmann ein Polizeihauptmeister und ein Polizeioberkommissar auf zwei Bildschirme durch die elf Kameras auf den Festplatz am Neckar schauen. Bisher saßen hier Wachleute der Sicherheitsfirma und hatten ihre Augen auf dem Bildschirm.

Die Vogelperspektive hilft, unklare Situation schnell zu durchschauen

„Dadurch, dass wir jetzt hier selbst sitzen, haben wir einen Vorteil: Wenn etwas passiert, können wir schneller einschreiten“, erläutert Kriegsmann. Beweissicherung und Dokumentation sind das Spezialgebiet des Oberkommissars. Er bildet ein Team mit Michael Keil, der sonst im Führungs- und Lagezentrum als Funksprecher Dienst tut. Was auf dem Platz über Funk gesprochen wird, hören die zwei mit. Sie reagieren dann darauf und zoomen zum Beispiel auf eine Menschenmenge, in deren Mitte sich ein paar Leute prügeln. „Aus der Vogelperspektive erkennen wir schneller, was Sache ist“, sagt Keil. Die Streifen auf dem Platz, in Vierer- und Fünfergruppen unterwegs, sehen eine Menschenmenge. Die Männer im dunklen Kabuff erkennen durch das dritte Auge des Gesetzes, dass in der Mitte der Menge Streithähne aufeinander eindreschen, und können diese Information nach draußen übermitteln. Anforderungen, auf das eine oder andere Geschehen draufzuhalten, kommen hingegen vom Platz nicht. „Die Kollegen wissen ja, dass wir den gesamten Funkverkehr mithören und entsprechend reagieren können.“

Neben der kürzeren Reaktionszeit hat die Polizei noch einen Vorteil von den Videos, der jedoch seither auch schon gegeben war. Die Aufnahmen können gespeichert und als Beweis in einem späteren Verfahren verwendet werden, wenn eine Straftat vor laufender Kamera geschieht.

Zum Sicherheitskonzept zählen auch Kontrollen an den Eingängen

Eine abschreckende Wirkung haben die Kameras indes nicht. Auch wenn man sie über dem Platz finden kann, wenn man nach oben schaut – kugelförmige mit Rundumsicht und fest geradeaus gerichtete –, stellen die Beamten fest, dass sich davon kein Wasenbesucher abhalten lässt, vom Alkohol enthemmt zuzuschlagen.

Die Videoüberwachung ist Teil des neuen Sicherheitskonzepts für das Volksfest. Der Kontrast ist groß: Noch nie haben Polizei und Veranstalter im Vorfeld so viele Sicherheitsmaßnahmen angekündigt wie vor dem diesjährigen Volksfest. Und dann ist es aber unglaublich ruhig auf dem Wasen, von den normalen bierwütigen Kabbeleien und Reibereien abgesehen. Rein zahlenmäßig verzeichnete die Polizei gegenüber dem Vorjahresbeginn zwar einen leichten Anstieg der Straftaten. „Aber das liegt sicher auch an unserer Personalstärke und damit der Kontrolldichte. Wenn wir mehr kontrollieren, ist klar, dass wir zum Beispiel mehr Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz erfassen“, sagt der Polizeihauptkommissar Rainer Dürrschnabel von der Wasenwache der Polizei. Am Mittwochabend bleibt es ruhig vor den Kameras. Das Bild bestätigt sich am nächsten Morgen in der Bilanz der Nacht: Die Polizei nahm lediglich 20 Straftaten auf. Am vergangenen Wochenende waren es 130 in einer Nacht, das war hingegen ein Ausreißer nach oben.