Bei mehreren Volksfestzelten sind Dutzende schlechter Google-Maps-Bewertungen verschwunden. Wer lässt löschen - und wie gehen die Wirte mit Kritik um?
Was in Stuttgarter Gastrobetrieben hundertfach geschieht, macht auch vor dem Wasen nicht halt: Mehrere Dutzend schlechte Bewertungen, die Nutzer auf dem Kartendienst Google Maps für die Festzelte abgeben können, sind unmittelbar vor und während des diesjährigen Cannstatter Volksfests verschwunden. Das zeigt eine Datenauswertung unserer Redaktion.
Unter dem Google-Eintrag des Göckelesmaier-Zelts verschwand in der Woche vor Wasenbeginn ein Dutzend überwiegend negativer Kritiken mit einem oder zwei von fünf möglichen Sternen - und die Gesamtbewertung des Zelts verbesserte sich von 4,6 auf 4,7 Sterne. Wie Festwirtin Daniela Maier auf Anfrage bestätigt, habe man die Rezensionen mit anwaltlicher Hilfe bei Google beanstanden lassen.
Mehrere der gelöschten Bewertungen waren bereits einige Jahre alt, viele berichteten von Konflikten mit dem Sicherheitspersonal – im Ton teils ungehalten, teils aber auch betont differenziert. Die Löschungen „betrafen Beschwerden, die entweder sachlich nicht mehr gerechtfertigt waren oder sich auf inzwischen überholte Themen bezogen“, erklärt Maier. Man arbeite seit einiger Zeit mit einem anderen Sicherheitsdienst zusammen.
Betriebe können schlechte Bewertungen leicht löschen lassen
Maier betont zwar, dass man die Löschungen für zulässig halte, weil Google die Bewertungen tatsächlich aus dem Netz genommen hat. Doch negative Rezensionen lassen sich auf Google verhältnismäßig leicht entfernen. Die Rechtslage sorgt laut Anwälten dafür, dass Google Nutzerbewertungen, die gemeldet werden, im Zweifel erst einmal löscht. Legen die betroffenen Nutzer dann keinen Einspruch ein oder liefern keine Belege für ihren Besuch, bleibt die Bewertung offline, egal, ob der Text zum Beispiel üble Nachrede enthält oder nicht.
Juristisch abschließend geklärt werden solche Fälle kaum. Nicht alle Bewertungen verschwinden durch eine Beschwerde. Google gibt an, auch selbst nach Verstößen gegen die eigenen Richtlinien zu suchen. Diese verlangen „echte Erfahrungen“ als Grundlage und verbieten unter anderem falsche Angaben und Beleidigungen.
Dass auch zivil formulierte Kritik verschwinden kann, zeigt sich am Beispiel Sonja Merz. Neben dem Wasenzelt betreibt Merz auch den Biergarten im Schlossgarten. Über eine Rezension dort berichtete ein Betroffener gegenüber unserer Redaktion: Weil Google eine Beschwerde wegen „Verleumdung“ erhalten hatte, wurde die Bewertung mit zwei Sternen im Oktober 2024 entfernt. Der Text aus dem Sommer 2024: „Mir hat es nicht geschmeckt. Und relativ teuer. Vielleicht liegt es an der EM.“ Ein Einspruch half nichts, Belege für den Vorgang liegen unserer Redaktion vor.
Die Daten belegen, dass allein in drei Wochen zwischen Juni und Juli 2025 mindestens 17 schlechte Nutzerbewertungen des Biergartens verschwunden sind. Das gilt auch für das Wasenzelt von Sonja Merz: Hier verschwanden von Mitte September bis zum zweiten Wasenwochenende 20 Bewertungen - alle mit einem oder zwei Sternen. Viele beklagen sich über ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis bei Essen und Getränken im Zelt. Ob die Bewertungen von Merz’ Betrieb selbst gemeldet wurden, geht aus den Daten nicht hervor. Sonja Merz wollte sich auf Anfrage weder zu den verschwundenen Biergarten- noch zu den Festzeltrezensionen äußern.
„Unseriöse Angebote“ für Lösch-Services
Kritik am Preis-Leistungsverhältnis sowie Beschwerden über Servicepersonal und Musik im Festzelt äußerte ein Rezensent in einer Google-Bewertung von September 2024 gegenüber dem Festzelt Schwabenwelt. Dabei vergab er zwei Sterne. Google löschte die Rezension daraufhin im März 2025 wegen „Diffamierung“, auch hier liegen Belege unserer Redaktion vor.
Der Festwirt Michael Wilhelmer kann auf Anfrage zu dem konkreten Fall keine Angaben machen, räumt jedoch ein, in bestimmten Fällen Google darum zu bitten, Bewertungen zu „überprüfen“ – etwa wenn diese „nicht authentisch sind oder wir Zweifel an deren Wahrheitsgehalt haben“. Im Regelfall versuche er jedoch, Nutzerbewertungen zu beantworten - was auf Google Maps für jeden sichtbar möglich ist. Viele Bewertungen seien auch berechtigt.
Die Wasen-Fälle sind dabei nicht die ersten in Stuttgart. Eine Recherche unserer Redaktion zu Google-Bewertungen in der Gastronomie hatte bereits im August Hunderte gelöschte Rezensionen zutage gefördert und zu zahlreichen Publikumsreaktionen geführt. Mehrere der hier zitierten Rezensenten hatten sich im Nachgang der Berichterstattung gemeldet.
Dass das Geschäft mit gelöschten Google-Bewertungen nicht vor dem Wasen Halt macht, bekommt auch Gastronom Wilhelmer mit. „Wir bekommen immer wieder etwas unseriöse Angebote von Anbietern und Agenturen, die sagen: Wir können Ihnen Ihre negativen Bewertungen streichen“, erzählt er. Und weiter: „Wir haben es auch schon mal der Dehoga gemeldet. Genutzt haben wir ein solches Angebot aber noch nie.“