Prof. Gerald Illerhaus sucht neue Behandlungsmethoden bei Foto: Leif Piechowski

Seit einem Jahr leitet Professor Gerald Illerhaus das Cancer-Center und die Klinik für Hämatologie und Onkologie am Klinikum. Dort pflegt er neue Behandlungsmethoden und den kollegialen Umgang.

Stuttgart - Er kam von einer Freiburger Uniklinik nach Stuttgart und fühlt sich sichtlich wohl: „Das ist eine Klinik der Maximalversorgung mit über 50 verschiedenen Abteilungen und bietet zur Versorgung von Krebspatienten wirklich alles“, lobt er das Klinikum Stuttgart. Ein Arzt an der Uniklinik definiere sich zu einem Großteil über die Forschung, „mein Schwerpunkt ist die Patientenversorgung und dabei alle beteiligten Ärzte zu einer gemeinsamen Behandlungsstrategie zusammenzuführen“, sagt Professor Illerhaus.

Das Stuttgart Cancer Center (SCC) ist ein Tumorzentrum, das im Jahr 2012 mittels einer Spende in Höhe von 1,5 Millionen Euro aus der Eva Mayr-Stihl Stiftung Waiblingen eingerichtet wurde. Es ist für Gerald Illerhaus der beste Platz, um seine langjährigen Kenntnisse anwenden zu können und das kollegiale Miteinander zu pflegen, das er im Uni-Betrieb zum Teil vermisst hat. „Das Wichtigste für die Patientenversorgung sind konstruktive Diskussionen und gemeinsam nach der besten Lösung zu suchen.“ Gerade, weil viele Krebsarten nach wie vor nicht vollständig zu heilen sind. „Eine gute Versorgung bedeutet für die Patienten eine höhere Lebensqualität, nicht die Verlängerung des Leidens.“ Inzwischen ist das SCC von der Deutschen Krebsgesellschaft als onkologisches Zentrum zertifiziert.

Als ehemaliger Oberarzt der Abteilung Hämatologie und Onkologie der Uniklinik Freiburg und heutigem Leiter der gleichen Abteilungen am Klinikum setzt der 44-Jährige den Schwerpunkt seiner Forschungen bei der Behandlung von zerebralen Lymphomen, normalerweise einer Erkrankung der Lymphknoten und des Knochenmarks, hier in Stuttgart fort. Die Lymphomzellen können sich im ganzen Körper, auch im Gehirn, verteilen und dort teils faustgroße Tumoren verursachen. „Noch in den 90er Jahren sind Patienten nach der Diagnose innerhalb weniger Wochen verstorben oder haben durch die Bestrahlung schwere Hirnschäden erlitten“, sagt Illerhaus.

Er setzt nun auf eine Behandlungsmethode, bei der der Patient eine Hochdosischemotherapie erhält und dann, zuvor entnommene, eigene Stammzellen verabreicht bekommt, die die Blutproduktion wieder in Gang setzen und das eigene Abwehrsystem wieder leistungsfähig machen. Illerhaus: „87 Prozent der Patienten leben nach drei Jahren noch.“ Eine internationale Studie mit jüngeren Patienten ist von ihm auf den Weg gebracht. Bei einer wöchentlichen Lymphom- und Transplantationskonferenz in der Klinik können auch niedergelassene Ärzte ihre Patienten mit den verschiedensten Lymphomerkrankungen vorstellen. Die Experten stimmen dann zusammen die optimale Therapie für den Patienten ab.

Vorm Fenster des Büros wird für eine hochmoderne Strahlenklinik gebaggert. Die Arbeit geht dem SCC leider nicht aus. Analog zu der im Welt-Krebsbericht genannten steigenden Zahl von Neuerkrankungen beobachtet auch Professor Illerhaus jährlich fünf bis zehn Prozent mehr Neuerkrankungen. Ursache dafür ist unter anderem die größer werdende Bevölkerungsgruppe im Alter über 50 Jahren. „Die meisten Krebsarten tauchen im Alter zwischen 60 und 80 Jahren auf“, sagt Illerhaus. Am Klinikum stieg die Zahl der Krebsfälle zwischen 2010 und 2012 von ca. 32 000 auf über 34 000 Patienten.

In der Zukunft, ist sich der Krebsspezialist sicher, wird die Zahl der Patienten, denen nicht geholfen werden kann, sinken, weil bessere Diagnosetechniken und neue Substanzen zur Behandlung zur Verfügung stehen. Vorbild dieser Entwicklung ist ein Medikament am Markt, mit dem eine chronisch myeloische Leukämie dauerhaft ausgemerzt werden kann.

Andere Ansätze brauchen Zeit, zum Beispiel der Kampf gegen den Tabakkonsum. „Die größten Steigerungen haben wir beim Lungenkrebs, darüber hinaus schädigt Nikotin Blase, Darm, Brust sowie Gewebe im Kopf-Hals-Bereich.“ Illerhaus weiß, wie schwer die Patienten mit rationalen Argumenten zu erreichen sind: „Einige, die bei uns stationär behandelt werden, sehen Sie mit dicken Verbänden am Kopf oder Hals vorm Eingang wieder beim Rauchen.“

Illerhaus sagt das nicht in vorwurfsvollem Ton. Lieber setzt er auf ein Präventionsprojekt: „Wir wollen Schüler der 7. und 8. Klassen zu uns einladen und ihnen Gespräche mit Patienten vermitteln, die ihre Krankengeschichte erzählen.“ Er selbst hat einen Sohn mit elf und eine Tochter mit 14 Jahren und kann wohl ermessen, welche Wirkung solche Begegnungen entfalten können.