So soll der Fraunhofer-Neubau zum Thema Leichtbau südlich der Nobelstraße in Vaihingen aussehen. Foto: Gewers Pudewill

Die Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft brauchen mehr Platz. In einer öffentlichen Veranstaltung haben sie um Verständnis geworben. Doch die Anwohner sind über die Neubaupläne auf dem Birkhof-Areal gar nicht erfreut.

Stuttgart - Die Fraunhofer-Gesellschaft braucht für ihre Forschungsvorhaben mehr Platz. Auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen sollen südlich der Nobelstraße fünf Neubauten entstehen. Doch im geplanten Umfang lässt das der Bebauungsplan von 1998 nicht zu. Auch die vorgesehene Verdichtung nördlich der Nobelstraße sprengt die Grenzen des Bebauungsplans von 1970. Auf Beschluss des Gemeinderats wurde deshalb ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet. Im Rahmen einer frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit haben Vertreter von Fraunhofer und Stadt am Donnerstagabend über ihre Pläne informiert. Die sind umstritten, denn Wissenschaft soll hier direkt an Wohnen grenzen. Auch Anwohner nutzten die Chance, Details nachzufragen und Kritik zu äußern. Nicht einverstanden zeigten sie sich vor allem mit den Baugrenzen, der Höhe der Gebäude und der Verkehrssituation.

Zunächst erläuterte Thomas Bauernhansl, der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) – mit 1100 Mitarbeitern das drittgrößte Fraunhofer-Institut in Deutschland –, wozu die Fraunhofer-Forscher die Neubauten brauchen: unter anderem für die Entwicklung von Leichtbautechnologien sowie für zwei „Megatrends“ – die Massenpersonalisation, also wie man es schafft, ein persönlich für den Kunden hergestelltes Produkt zum Preis von Massenware herzustellen, und die Ultraeffizienzfabrik. Diese produziert nahezu ohne Lärm, ohne Energieverlust und ohne Abfallausstoß, und alle Rohstoffe landen im Produkt. „Beide Themen sollen eine Heimat auf dem Birkhof finden“, so Thomas Bauernhansl. „Wir machen anwendungsnahe Forschung, „dafür brauchen wir mehr als ein Blatt Papier – dafür brauchen wir Laborflächen.“

Im Februar soll Bauantrag für das Zentrum für Leichtbautechnologien eingereicht werden

Für den sogenannten Spin-Bau, einer Nachverdichtung von Norden zur Nobelstraße hin, habe man den Bauantrag schon eingereicht – im August rechne man mit dem Baubeginn, Mitte 2021 schließlich mit der Übergabe, erklärte Dirk Nelson, der bei Fraunhofer für die Bauvorhaben zuständig ist. Und noch im Februar soll der Bauantrag für den ersten Neubau auf dem Birkhof-Areal südlich der Nobelstraße eingereicht werden.

Dort soll in zweijähriger Bauzeit das Zentrum für Leichtbautechnologien entstehen, viergeschossig, knapp 17 Meter hoch, ohne Einzäunung – für 20 Millionen Euro: eine große Werkhalle mit Hallenkran, kleinere Labore und 113 Büroarbeitsplätze. Als nächstes soll der Neubau für die personalisierte Produktion folgen, ebenfalls viergeschossig und maximal 17 Meter hoch, aber mit 4100 Quadratmetern Nutzfläche deutlich wuchtiger – und: Er grenzt bis auf 40 Meter an die Wohnhäuser und überschreitet die bisherige Bebauungsgrenze. Den Anwohnern ist dies ein Dorn im Auge, auch wegen der Verschattung, die Stadt prüft noch. „Warum will man ausgerechnet dorthin erweitern, wo Leute wohnen?“, wirft eine junge Frau ein. Doch nach Süden hin will die Stadt die Frischluftschneise erhalten. „Man könnte auch prüfen, wie weit man in die Tiefe bauen kann“, schlägt ein Anwohner vor. 31 Millionen Euro soll der Bau kosten, Baubeginn voraussichtlich 2019/20. Die anderen Neubauten sollen später kommen.

Pläne für Nobelstraße als „Boulevard“ enttäuscht die Anwohner

Im Zuge der Campus-Neuordnung sollen auch die Nobelstraße verengt und die Gebäudekanten erhöht werden. „Man möchte es urbaner haben“, erklärte Unibauamtschefin Sybille Müller. Doch von dem angeblichen „Boulevard“ zeigten sich die Anwohner enttäuscht. Denn geplant sind weder Cafés noch Geschäfte. „Bei der Deckung des täglichen Lebensbedarfs und bei der gastronomischen Versorgung sehen wir ein Manko“, räumte Müller ein. Es werde weder großflächige Parkplätze noch ein zentrales Parkhaus geben, kündigte Susanne Frucht vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung an. Stattdessen denke man an mehrere Parkhäuser auf dem Campus verteilt, so Müller.

„Sie haben den Verkehrsinfarkt programmiert“, meinte ein Zuhörer – „mehr Verkehr, verengte Straße, das ist nicht erbaulich.“ Ein anderer mahnte das Mobilitätskonzept an, das es immer noch nicht gebe. Müller antwortete, das werde noch ein Jahr dauern, man erwäge einen Shuttleverkehr mit Bussen. „Seilbahn“, ruft ein Mann dazwischen, erhält aber keine Antwort. Die von der Stadt vorgesehenen Radschutzstreifen entlang der Nobelstraße lehnen mehrere Anwohner als zu gefährlich ab, da diese auch von Lkw befahren werden.