Campino (54) sagt: „Die letzten Jahre waren eine echte Achterbahnfahrt, viele gute, einige nicht so gute Sachen sind passiert.“ Foto: Paul Ripke

Ist es Fluch oder Segen, „Tage wie diese“ geschrieben zu haben? Gibt es keine Liebeslieder ohne Leiden? Ist der Tod ein Grund, das Leben zu feiern? Fragen an Campino, Sänger von den Toten Hosen.

München - Zwischen Albumproduktion, Geheimkonzerte-Tour und einem kleinen Eklat bei der Echo-Verleihung gibt Campino (54), Sänger der Toten Hosen, Interviews in München. Er wirkt entspannt, isst ein paar Trauben, trinkt Tee. In den vergangenen Jahren hat die Band ihren Manager und auch ihren ehemaligen Schlagzeuger Wölli verloren. Ein Gespräch über Abschied, Liebeslieder ohne Happy End, Spotify und warum er nicht immer die „Rampensau“ sein will.

Campino, vor fünf Jahren erschien „Ballast der Republik“, es folgte die erfolgreichste Tour der Bandgeschichte. Gab es einen Moment, an dem Sie sich überlegt haben, wie es jetzt weitergeht?
Ich kann mich nicht mehr erinnern. Eine Sache ging in die andere über. Und ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist. Die letzten Jahre waren eine echte Achterbahnfahrt, viele gute, einige nicht so gute Sachen sind passiert.

„Ich finde es nicht ideal, dass wir auf dem neuen Album oft um die Themen Tod und Abschied kreisen.“

Hat Ihnen das neue Album „Laune der Natur“ viel abverlangt?
Auf jeden Fall. Wir sind mal wieder erst in der letzten Sekunde fertig geworden. Da kommt auch gelegentlich an einen Punkt, an dem es keinen Spaß mehr macht. Aber anscheinend vergisst man das danach immer. Der Druck wäre aber bedeutend größer, wenn wir zuvor einen Flopp hingelegt hätten. Im Grunde hat uns „Ballast“ das Leben sehr lange, sehr einfach gemacht. Auf einmal konnten sich da draußen alle auf uns einigen.
Stellt man sich als Schreiber die Frage, was aus seinem eigenen Leben für Texte taugt, die ja auch eine Allgemeingültigkeit haben sollen?
Ich bin immer bemüht, musikalisch wie textlich eine Bandbreite zu zeigen. Aber da spielt das Leben immer mit rein. Ich finde es nicht ideal, dass wir auf dem neuen Album oft um die Themen Tod und Abschied kreisen. Doch jede Platte von uns ist wie ein Tagebuch. Das ist immer auch eine Momentaufnahme aus unserem Leben.
Trauer ist ein bestimmendes Thema. Jochen Hülder, Ihr Freund und Manager und Wölli, der ehemalige Hosen-Schlagzeuger, sind gestorben. Sie sind in dem Tote-Hosen-Familiengrab beerdigt worden. Haben diese beiden Abschiede etwas in Ihrer Wahrnehmung geändert?
Durchaus. Jochen ist der einzige Manager meines Lebens. Er war der Erste, der an mich geglaubt hat. So etwas verbindet über den Tod hinaus. Als ich Wölli kennengelernt habe, war ich zehn Jahre alt. Er war der Freund meiner größeren Schwester. Als er gestorben ist, kamen viele Erinnerungen an die frühere Zeit hoch. Ich bin dankbar für den Weg, den wir gemeinsam hatten.

„Bei jedem Todesfall kommt die Frage nach Sinn und Unsinn des Lebens und auch die nach Gott auf.“

Das Lied „Eine Handvoll Erde“ beschreibt den Abschied von Jochen Hülder.
Uns war klar, dass wir für Jochen ein Lied schreiben wollte, auch wenn wir nicht weiß, ob wir ihm gerecht geworden sind. Ich habe nichts anderes getan, als die Beerdigung zu beschreiben. Wie man so verloren dasteht, eine Handvoll Erde nimmt und ins Grab wirft, bis man schließlich den Sarg nicht mehr sieht.