Jahrelange Gerichtsprozesse, fünf beteiligte Behörden und ein Gastwirt, der schier verzweifelt: Der Streit um ein Café im Stuttgarter Norden hat bizarre Ausmaße angenommen. Jetzt winkt ein Happy End für Betreiber und Gäste.
Die Gastronomie macht schwere Zeiten durch. Steigende Kosten, Personalmangel und Gäste, die sparen müssen. Immer wieder schließen Gaststätten, Wirte geben auf. Andere werden auf juristischem Wege unter Druck gesetzt – wie beim Stuttgarter Teehaus, gegen das ein Anwohner erfolgreich zu Felde zieht. Das ist freilich nicht der einzige solche Fall in der Landeshauptstadt. Im Stuttgarter Norden, wo jüngst am Höhenpark Killesberg mit der Filiale der Kette Big Chefs eine weitere Gaststätte geschlossen hat, kämpft ein kleines Café seit Jahren um seinen Fortbestand.
Das Café Lamber ist ein beliebter Treffpunkt im Gebiet rund um die Helfferichstraße, wo sich ein Ladenviertel trotz aller Schwierigkeiten behauptet und die Nahversorgung sicherstellt. An der Ecke zur Eduard-Pfeiffer-Straße stemmen Betreiber Cameron Grobenski und seine Schwester Romana einen Sieben-Tage-Betrieb. Abends schließen sie um 18 Uhr, obwohl sie bis 22 Uhr geöffnet haben dürften. Das gefällt vielen, aber nicht allen im Quartier: Zwei Nachbarn versuchen seit Jahren, den Betrieb zu verhindern.
Warme Speisen waren verboten
Die Folge: zig Polizeibesuche, zahlreiche Klagen gegen das Café, aber auch gegen die Stadt. Die hatte nämlich die Umwandlung des 2017 eröffneten Ladens mit Gebäck und Eis zu einer Gaststätte genehmigt. Mit strengen Auflagen: Grobenski musste eine hohe Summe in Umbaumaßnahmen investieren, eröffnete sein Café schließlich vor zwei Jahren. Danach, so der Wirt, sei der Streit mit den beiden Nachbarn eskaliert.
„Es geht um Gerüche und Lärmbelästigungen im Zusammenhang mit dem Gaststättenbetrieb und was damit sonst noch verbunden ist, wie Gespräche von Gästen vor dem Haus oder die An- und Abfahrt der Gäste“, sagt der Rechtsanwalt der beiden Nachbarn. Es mache einen Unterschied, ob sich in einem Mehrfamilienwohngebäude nur ein Geschäft mit Abgabe von Speisen und Getränken zum Mitnehmen oder zum Verzehr außerhalb oder eben eine Gaststätte mit Innenbewirtschaftung befinde.
Gestolpert ist Grobenski schließlich über eine Klausel in der Gaststättenkonzession. Laut der darf er keine warmen Speisen anbieten. Auf Drängen der Gäste nahm er aber nach einiger Zeit einen kleinen Mittagstisch auf die Karte. Weißwürste, die in heißem Wasser erwärmt werden, Toast oder Omelette aus der Mikrowelle. Ordnungsamt und Umweltamt sahen kein Problem, weil dadurch weder Lärm noch Gestank entstehen. Entscheiden musste aber das Baurechtsamt. Und das beharrte auf einem neuen Bauantrag. Grobenski nahm die Speisen von der Karte und stellte kopfschüttelnd den Antrag, obwohl er gar nichts umbauen wollte. Am Ende beteiligt: vier städtische Behörden, das Regierungspräsidium, Gerichte und die Polizei.
Doch jetzt, ein halbes Jahr später, flattert tatsächlich eine positive Nachricht ins Haus: „Nach langem Warten kam die Baugenehmigung und somit die Genehmigung zur Zubereitung von warmen Speisen“, sagt Grobenski. Außerdem darf er wieder einen öffentlichen Parkplatz als Außenfläche bestuhlen. Auch das war zuvor per Beschwerde unterbunden worden.
„Das Blatt wendet sich zum Guten“, freut sich der Gastronom. Die Gäste seien sehr erleichtert, man habe viel Zuspruch erfahren. „Gerade für die älteren Leute ist es sehr wichtig, einen kleinen Mittagstisch zu haben. Da besteht großer Bedarf“, sagt Grobenski. Das Café biete nun im wöchentlichen Wechsel wieder kleine erwärmte Speisen an. Trotz aller Erleichterung denkt der Gastwirt an den ganzen Ärger, die Anwalts- und Antragskosten und sagt: „Auf diese Weise können Existenzen kaputtgehen. In der Gastronomie ist die Lage vielerorts ohnehin prekär.“
Die Stadt Stuttgart gibt sich aktuell zurückhaltend im Fall des Café Lamber. Das liegt auch daran, dass zu den aktuellen Entscheidungen offenbar noch die Widerspruchsfrist läuft. Aus juristischen Gründen könne man sich zu laufenden Verfahren nicht detailliert äußern, sagt ein Sprecher – bestätigt jedoch, dass Cameron Grobenski derzeit sowohl warme Speisen anbieten als auch die Außenfläche nutzen darf.
Klagen gegen die Stadt laufen weiter
Noch einen zweiten Grund gibt es, warum sich die Stadtverwaltung derzeit zurückhält. Denn es laufen noch Klagen gegen die ursprüngliche Gaststättenkonzession. Damit wollen die Kläger die Entscheidung der Stadt, dass aus dem ehemaligen Laden überhaupt ein Café werden durfte, kassieren. Im Mai soll eine davon am Verwaltungsgericht verhandelt werden.
Erleichterung herrscht auch bei Bezirksvorsteherin Sabine Mezger. Zu den juristischen Auseinandersetzungen könne sie nichts sagen, allerdings sei sie sehr froh, dass das Café „die Chance bekommt, weiterhin mit einem adäquaten Angebot im Quartier da zu sein“. Es habe auch einen sozialen Charakter: „Cameron Grobenski ist mehr als ein Wirt. Es herrscht eine gute Atmosphäre, für viele ist das Café zu einer Art zweitem Wohnzimmer geworden.“