Café-Weiß-Wirt Ranko blickt nachdenklich Richtung Fenster in seinem Lokal. An diesem Montag öffnet er zum letzten Mal die Türen Foto: Max Kovalenko

Etwas wehmütig wirkt Ranko schon. An diesem Montag öffnet der Wirt des Café Weiß zum letzten Mal seine Türen. Danach verabschiedet er sich in den Ruhestand. Doch vergessen werden ihn seine Gäste nicht. Der Mann ist ein Stuttgarter Original.

Ranko sitzt im leeren Café Weiß, zieht an seiner Zigarette und denkt zurück an die Zeit, als alles losging. Vor fast genau 40 Jahren war es, als er zum ersten Mal nach Stuttgart gekommen ist: „Mein Bruder hat in der Fellbacher Möbelhalle gearbeitet.“

Ranko kommt aus Makarska an der Adria, wo er eine Villa besitzt. Nach der Zeit bei der Armee verbrachte er einige Zeit bei seinem Bruder in Stuttgart. Eines Tages kamen die beiden in das Café Weiß zum Essen. „Ich bin gelernter Oberkellner“, sagt Ranko. „Was die beiden Mitarbeiter am Büfett machten, war nicht normal. Das mache ich mit links.“

Inhaber Heinz Weiß gab ihm eine Chance, war von seiner Arbeit begeistert und entlohnte ihn fürstlich mit 500 Mark. „Das war eine Menge Geld“, erinnert sich Ranko, der Stuttgart trotzdem erst einmal den Rücken kehrte. Aber nur für kurze Zeit. „Im März 1973 kam dann ein Paket mit sämtlichen Papieren für Deutschland. Die hat Heinz Weiß besorgt“, erzählt. Ranko. Er kam zurück nach Stuttgart – um zu bleiben.

Als Rentner will Ranko in Zukunft sein Leben genießen

Traurig sei er schon gewesen, als er von zu Hause wegging. „Aber die Aufstiegschancen in Deutschland waren gut, deshalb bin ich gern hergekommen.“ Die ersten vier Monate machte er Hilfsarbeiten. „Als ich gut genug Deutsch konnte, wechselte ich in den Service“, erinnert er sich.

Als Heinz Weiß 2011 starb, übernahm Ranko das Lokal. Nun läuft der Vertrag aus. Eberhard Weiß, der Sohn von Heinz Weiß, will es nun sanieren. „Das ist gut so. Von allein hätte ich nicht aufgehört“, sagt der 60-jährige Ranko. Er hat eine Wohnung in Bad Cannstatt gekauft. „In diesem wunderbaren Land will ich die Zelte nicht abbrechen.“

Als Rentner will Ranko in Zukunft sein Leben genießen und zwischen Cannstatt und Makarska pendeln. Gemeinsam mit seiner Frau. Seine Augen leuchten, wenn er von ihr erzählt: „Ich verdanke sie diesem Lokal“, sagt er und lässt seinen Blick über die dunklen Wände im Café schweifen. 1973 hat er die Kroatin dort kennengelernt. „1974 haben wir geheiratet.“

Vermissen wird er einiges, wenn er nicht mehr als Wirt arbeitet. Vor allem seine Gäste. Ein gemischtes Publikum wie im Café Weiß findet man sonst nur selten. „Meine Gäste sind Mitarbeiter des Alten Schauspielhauses, des Staatstheaters, des Rathauses“, sagt Ranko. „Diese Mischung aus Studenten und Schauspielern macht das Lokal aus, deshalb macht es mir Spaß zu arbeiten.“

Stammgäste hat Ranko viele

Und den Gästen machte es Spaß, bei Ranko zu sein. Frauen bekamen ein Schokolädle, wenn sie errieten, in welcher Hand Ranko es versteckte. Bei drei Schnaps gab es ein Osterei. „Ich verkaufte sehr viel Schnaps, weil die Leute alle ein Ei haben wollen“, sagt Ranko und lacht. Ein anderer Klassiker ist die Gummibärchenkuh auf den Chips, die es zu jedem Bier gibt. „Das entstand, weil ein Gast mal etwas dazu haben wollte.“

Stammgäste hat Ranko viele. „Wendelin Niedlich verkauft hier Bücher aus seinem alten Buchladen. Jeden Abend um 18 Uhr kommt er her und trinkt seine Biere“, erzählt Ranko. „Aber ich habe mehr als 15 000 Stammgäste, die immer wieder kommen, wenn sie in Stuttgart sind.“ Einen von ihnen erkannte er an seiner „unwahrscheinlich tiefen Stimme“, als er nach 15 Jahren wieder kam. „Damals trank er immer Sprudel mit Weißwein. Er hatte solch eine tolle Stimme, dass ich mich an ihn erinnert hatte und ihm sein Getränk hingestellt habe. Da hat er sich natürlich sehr gefreut.“

Berühmtheiten waren oft zu Gast im Café Weiß. Ranko erinnert sich an alle: „Buffy Ettmayer, Christoph Daum, Bruno Labbadia, vor allem Fußballer waren gerne da.“ Auch die italienische Fußballnationalmannschaft, die am 22. Juni 1974, am Abend vor dem letzten Gruppenspiel der Weltmeisterschaft gegen Polen, bei Ranko vorbeischaute. Er erinnert sich: „Der Portier des Hotels Park hat mich angerufen. Er hätte vier Nationalspieler, die er gern rüberschicken würde. Damals hatten wir Mädle da.“

Wer mit Ranko Abschied feiern will, sollte früh kommen

Mit Mädle meint Ranko Prostituierte, die gern im Café Weiß zu Gast waren. „Ich habe dann Inge, Petra, Marlies und Gabi angerufen.“ Inge, Petra, Marlies und Gabi trafen sich dann im Café Weiß mit Dino Zoff, Luigi Riva, Gianni Rivera, „und wer der Vierte war, weiß ich nicht mehr“, sagt Ranko. Die Spieler bestellten gleich zwei Flaschen Champagner, gaben ein „super Trinkgeld“, nahmen noch zwei Flaschen Champagner und die Frauen mit und verschwanden in den Stuttgarter Abend.

Der einstige Präsident des VfB Stuttgart, Gerhard Mayer-Vorfelder, kam Ende der 70er erstmals ins Café Weiß. „Er hat mich auf einen Jägermeister eingeladen“, erinnert sich Ranko. Kurz vor Feierabend konnte er nicht mehr: „Ich vergesse nie, wie ich schon total wackelig auf den Beinen stand, als er sagte: Junge, jetzt fangen wir erst an zu trinken.“

An diesem Montag öffnet er zum letzten Mal seine Türen. „Ich bin so dankbar, dass ich hier Geld verdienen durfte, dass ich an diesem Tag meine letzten Getränke kostenlos ausschenke. Leider werde ich dann irgendwann die Türen schließen müssen, damit es nicht zu voll wird.“ Wer mit Ranko Abschied feiern will, sollte früh kommen.