Der Alte Postplatz in Waiblingen hat schon manche Umbauten gesehen. Einst stand dort die Gaststätte Post, später ein trister Parkplatz und bauliche Hüttenwerke. Heute sieht alles anders aus.
„Es gilt schlicht, die ungefähr ein halbes Jahr dauernden Bauarbeiten mit Fassung zu tragen“, so hieß es anno 2005 aus Anlass eines der Umbauten am Alten Postplatz in Waiblingen. Der Bau der Tiefgarage samt Einkaufs- und Dienstleistungszentrum anstelle des damaligen Parkplatzes werde für Autofahrer und Fußgänger „kein Zuckerschlecken“. Die grundlegende Umgestaltung galt einem Areal, auf dem damals vis-à-vis der Querspange ein ebenerdiger Parkplatz mit Kiosk, eine aufgegebene Tankstelle und diverse bauliche Hüttenwerke ein eher trostloses Tor zur idyllischen Waiblinger Altstadt darstellten.
Wirtshäuser entlang der alten Reichsstraße
Nochmals ein paar Jahrzehnte zuvor hatte dort noch die Reichsstraße R 14 als Vorgänger der inzwischen weiträumig verlegten B 14 mitten in diese Altstadt hineingeführt. Vom nicht mehr existierenden Fellbacher Tor neben dem Alten Postplatz führte diese über die Lange Straße und durchs Beinsteiner Tor wieder aus der Stadt hinaus gen Winnenden. Vor den beiden Toren, so ist den Werken über die Waiblinger Stadtgeschichte zu entnehmen, befanden sich einst die „Logistikzentren“ der Stadt. Dort wurden Waren verladen und Zugtiere umgespannt. In Wirtshäusern wie dem heute noch existierenden Schwanen jenseits des Beinsteiner Tors konnten Reisende ihr müdes Haupt ablegen. Am Alten Postplatz bot diese Gelegenheit etwa das Wirtshaus zur Post, das bis 1850 noch Hirsch geheißen hatte.
Just heute sind die Fahrbahnen entlang des auf die längst abgerissene Gaststätte verweisenden Alten Postplatzes wieder einmal verengt, die Staus teils beträchtlich und die Parkhausplätze knapp angesichts der Einschränkungen durch die jüngste Postplatz-Großbaustelle beim Waiblinger Landratsamt. Dort, wo bis vor Kurzem das mehrstöckige Parkhaus mit Parkdeck der Kreisbehörde am Stadteingang thronte, klafft neben der vor 25 Jahren eingeweihten, städtebaulich markanten und einst 39 Millionen Euro teuren Polizeidirektion momentan ein großes Loch. Dabei handelt es sich um die Baugrube für einen Teil der Bauten, die der Rems-Murr-Kreis derzeit für sein neu konzipiertes Landratsamtsareal realisiert.
Neubau für 350 Landratsamtsbeschäftigte
Auf dem Gelände der alten Tiefgarage soll ein mehrstöckiger Neubau errichtet werden, der etwa 350 Landratsamtsmitarbeitern moderne Arbeitsplätze bietet. Der Start der Rohbauarbeiten ist für den kommenden Monat geplant. Mitte 2024 soll das auf 52,5 Millionen Euro veranschlagte Gebäude bezugsfertig sein. Darunter werden auf drei Tiefgaragenetagen statt der bisher knapp 250 Stellplätze für Mitarbeiter und Besucher des Waiblinger Landratsamts künftig allerdings nur noch deren 140 zur Verfügung stehen.
Mit ihrem Wettbewerbsentwurf eines städtebaulich markanten Baus, der die Kanten an der Kreuzung Alter Postplatz/Alte Bundesstraße am östlichen Stadteingang Waiblingens betont und die bestehenden Baufluchten, zum Beispiel der Polizeidirektion und der denkmalgeschützten Villa Roller, in passenden Dimensionen aufnimmt, hatte das Architekturbüro Ackermann + Raff einst die Wettbewerbsjury überzeugt.
Ein Buch über die Waiblinger Wirtschaften
Was vis-à-vis der Schorndorfer Straße den eigentlichen Postplatz angeht, so lag dort am Kreuzungsbereich Lange, Mayenner, Bahnhof- und Schorndorfer Straße vor gut einem Jahrhundert noch ein gastronomischer Schwerpunkt des damaligen Waiblingens – einer Stadt der Wirtshäuser, die sich im 19. Jahrhundert vor allem entlang der ehemaligen Reichsstraße und heutigen Langen Straße ballten. Über die bis 1850 unter dem Namen Hirsch firmierende Gastwirtschaft Post heißt es im 1999 erschienen Buch über die „Alte Waiblinger Wirtschaftsherrlichkeit“, das aus dem Aufsatz „Alte Post in Waiblingen“ zitiert: „Die Post war im vorigen Jahrhundert die erste Gastwirtschaft in unserer Stadt. Wer Namen, Rang und Ansehen hatte, verkehrte in der Post. Auf dem Platz, auf dem heute das neue Kreissparkassengebäude steht, befand sich der Postgarten mit seinen schönen Bäumen. Die meisten Veranstaltungen in der Stadt, wie Hochzeiten, Festessen, Jubel- und Gedenkfeiern, fanden in der Post oder im Postgarten statt.“
Auch das nächste Gasthaus namens Hirsch am südwestlichen Eck des zeitweiligen Adolf-Hitler-Platzes, das sich irgendwann den Bau mit der Waiblinger Polizei teilten musste, hatte vor einigen Jahren einem weiteren Neubau der Kreissparkasse zu weichen. Der Stern, der ebenfalls im „Wirtschaftsviertel an der oberen Langen Straße“ residierte, stand einst offenbar etwas im Schatten der bedeutenderen Post, obwohl er an einer guten Ecksituation direkt am Stadteingang lag. Der Stern, so heißt es im Buch über die alte Waiblinger Wirtschaftsherrlichkeit, sei ursprünglich eine sogenannte Metzgerwirtschaft gewesen, in der „vor dem Krieg“ viele Jugendliche und auch Arbeitslose verkehrten – „letztere deshalb, weil im Gebäude der ‚Post‘ seinerzeit das Arbeitsamt untergebracht war“.