Auch Busfahrer, hier ein Mitarbeiter der Ludwigsburger Verkehrslinien Jäger, haben an der Tankstelle momentan keine Freude. Foto: dpa/Marijan Murat

Die hohen Dieselkosten treiben zahlreiche Familienunternehmen in die roten Zahlen. In manchen Landkreisen ziehen sich die ersten Firmen schon zurück. In der Region Stuttgart sieht es besser aus, doch es fehlt Planungssicherheit.

Die Preisexplosion an den Zapfsäulen nach dem Auslaufen des Tankrabatts könnte eine Chance für den öffentlichen Nahverkehr sein. Allerdings beschleicht die Busunternehmer beim Blick auf die Preistafeln selbst die Panik. „Die Branche befindet sich im dritten Jahr im Krisenmodus“, sagt Witgar Weber, Geschäftsführer des Verbandes Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO). Nachdem Einbruch bei den Fahrgastzahlen in der Coronapandemie beutele nun der exorbitante Treibstoffpreis die Unternehmen. Die Politik müsse handeln. Sonst drohe auf manchen Strecken gar der Stillstand.

Was bedeutet der steigende Dieselpreis für die Busunternehmen?

Andreas Kühner, Chef des Heilbronner Familienunternehmens Friedrich Gross, dessen rote Busse im Auftrag der Bahn unter anderem im Norden des Landkreises Ludwigsburg unterwegs sind, hat sich gerade wieder 32 000 Liter Diesel von der Raffinerie in Karlsruhe kommen lassen. Damit betankt er seine Flotte von 40 Bussen. Der Preis, noch mit Tankrabatt, lag netto bei 155,90 Euro pro 100 Liter. Inklusive der Umsatzsteuer von fast 10 000 Euro überwies er 60 836,05 Euro an den Lieferanten. Vor einem Jahr zahlte er für die gleiche Menge nur 30 000 Euro. „Das ist eine Wahnsinnspreissteigerung“, sagt Kühner – und es ist nicht die einzige. Auch Reifen oder Schmierstoffe sind teurer geworden. Der Harnstoff Adblue sei mittlerweile viermal so teuer. „Das haben wir früher überhaupt nicht berücksichtigt.“

Wie können die Busunternehmen die Steigerungen ausgleichen?

Im Jahr 2019 schlugen die Treibstoffkosten in der Kalkulation der Busunternehmen noch mit 15 Prozent zu Buche. Inzwischen sind es 21 Prozent. Ein Ausgleich ist kaum möglich. Eine Reduzierung des Fahrtenangebots sei vertraglich nicht möglich. Und auch Busunternehmen wie die Ludwigsburger Verkehrslinien (LVL) Jäger, die den Busverkehr im Raum Ludwigsburg eigenwirtschaftlich, also nicht zum ausgehandelten Festpreis betreiben, können die Fahrpreise nicht eigenmächtig erhöhen. Dies liegt in der Verantwortung des jeweiligen Verkehrsverbundes, hier des VVS. Für den Herbst – und nicht erst im kommenden Jahr – seien Preiserhöhungen aus Sicht des WBO unumgänglich.

Kommen bis dahin alle Busunternehmen durch?

Nach zwei Jahren Coronapandemie sehen viele (Familien-)Unternehmen nicht die Möglichkeit, die massiven Kostensteigerungen in allen Segmenten auszugleichen. Die Konsequenzen sind aus Sicht des WBO schon spürbar. Im Zollernalbkreis hat eine Bietergemeinschaft aus drei Unternehmen ihre Subunternehmerleistungen in drei Linienbündeln zum 11. September und damit pünktlich zum Schulbeginn gekündigt. In Reutlingen drohen sieben Verkehrsunternehmen ebenfalls mit der Kündigung ihrer Subunternehmerleistungen. Die kleinen Unternehmen, die oft nur wenige Busse unterhielten, seien die „schwächsten Glieder in der Kette“ und von ihren Auftraggebern abhängig. Schon bald könnten Fahrgäste vergeblich an den Haltestellen stehen, warnt der Verbandschef Weber.

Was fordert der WBO von der Politik?

Aus Sicht des Verbandes sind Ausgleichszahlungen dringend nötig. Schon im März hatte der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Unternehmen, Verkehrsverbünde und Landkreise an einen Tisch gebeten. Die damals ausgearbeitete Lösung konnte Hermann allerdings landesweit nicht durchsetzen. Jetzt gibt es einen Flickenteppich. In manchen Verkehrsverträgen ist ein Preissteigerungsindex ohnehin enthalten. Anderswo erhalten auch eigenwirtschaftlich betriebene Angebote einen Ausgleich. In manchen Kreisen gibt es aber bisher keine Unterstützung. Teilweise werden die Zahlungen von den Konzernen, die die Bündel halten, auch nur zögerlich an die von ihnen beauftragten Subunternehmer weitergegeben. „Für die Buslinien östlich der A 81 bekomme ich Geld, für die Linien im Westen bisher nicht“, sagt Andreas Kühner. Es herrsche das Zufallsprinzip, klagt der WBO.

Drohen auch in der Region Stuttgart Angebotskürzungen?

Der Verband Region Stuttgart hat sich dafür entschieden, die Kostensteigerungen der Busunternehmen komplett auszugleichen. Das sei eine große Erleichterung für die Unternehmen. Allerdings gilt die Vereinbarung bisher nur bis zum Jahresende. „Ich habe noch keine Planungssicherheit für das nächste Jahr“, sagt Carry Buchholz, Chefin der LVL Jäger GmbH. Seit 96 Jahren chauffiere man die Ludwigsburger. Das wolle man auch noch zum 100. Geburtstag tun.

Bundesweit fehlen 60 000 Busfahrer

Mitarbeitermangel
 Die Busunternehmen plagen Personalsorgen. Um die Herausforderungen der Verkehrswende zu bewältigen, werden nach Schätzungen mittelfristig bundesweit 60 000 neue Busfahrer benötigt. Allerdings fehle schon jetzt der Nachwuchs. Auf zwei Stellenausschreibungen habe er keine einzige Bewerbung erhalten, berichtet Gerd Eisenmann, der in Öhringen ein Omnibusunternehmen betreibt.

Pausenregel
 Die Unternehmen versuchen mit tariflichen Verbesserungen gegenzusteuern. So wurde eine mitarbeiterfreundlichere Pausenregelung vereinbart. Problematisch seien allerdings nach Ansicht des WBO die hohen Anforderungen für den Busführerschein. Er koste im Schnitt in Deutschland 10 500 Euro und dauere ein halbes Jahr. In Österreich sei er gut in acht Wochen zu schaffen. Dort investierten die angehenden Busfahrer nur 3500 Euro.