Fechten mit dem scharfen Stahl ist für Hubert Grosser keine Mutprobe, sondern eine Tradition, die gepflegt und an die nächste Generation weitergegeben werden soll. Foto: Peter-Michael Petsch

Hubert Grosser ist Altherrenvorstand der Burschenschaft Ghibellinia, gegründet vor 150 Jahren.

Stuttgart – Seit anderthalb Jahrhunderten steht die Stuttgarter Burschenschaft Ghibellinia für hehre Werte wie „Ehre, Freiheit, Vaterland“. Ein Gespräch mit Hubert Grosser, der seit fast 40 Jahren Farben trägt, über die Identifikationskraft des Säbelkampfs, über wilde Alkoholexzesse und über schmerzhafte Ödeme.

Herr Grosser, Sie haben ja gar keinen Schmiss im Gesicht.
Ich habe drei Mensuren gefochten. Die habe ich ernstgenommen und war gut vorbereit.

Dafür sind Ihre Gegner jetzt gezeichnet?
Nein, es gab keine Verletzten. Verletzungen kommen mit ein bis zwei Prozent ganz selten vor. Bei jeder Mensur wird die Waffe mehrmals desinfiziert. Zwei Ärzte sind anwesend. Sollte eine Wunde entstehen, wird sie sofort so geklammert oder genäht, dass die Narbe später kaum zu sehen ist.

Früher waren die Burschenschafter auf möglichst große Narben besonders stolz.
Früher galt der Schmiss in bestimmten akademischen Kreise als Anerkennung und Erkennungszeichen. Heute hat er Gott sei Dank keine Bedeutung mehr.

Warum hält dann Ihre Burschenschaft an der Mensur fest?
Sie ist Teil des studentischen Verbindungslebens und für die Gemeinschaft wichtig. Die Vorbereitung, zweimal pro Woche mit einem Fechtlehrer, dauert mindestens zwei Semester. Die Mensur ist identitätsstiftend. Danach trägt man die Ghibellinen-Farben Blau-Gold-Rot mit Stolz.

Gäbe es statt des Fechtens keine zeitgemäßere Mutprobe?
Sollen wir durch den Neckar oder den Ärmelkanal schwimmen? Mensur hat nichts mit Mutprobe zu tun, sondern ist eine einzigartige Tradition. Die gemeinsame Vorbereitung und der gemeinsame Weg verbinden.

Schwimmen ist ein gutes Stichwort. Auf diesem Gebiet haben Ghibellinia-Mitglieder große Erfolge erzielt.
In der Tat. Die Bundesbrüder Otto Fahr und Willy Lützow gewannen 1912 bei den Olympischen Spielen in Stockholm über 100 Meter Rücken und 200 Meter Brust jeweils eine Silbermedaille.