Ryan Ganders sprechende Maus ist ein Publikumsliebling. Foto: /Andrea Rossetti

Die Zukunft ist intelligent. Im Museum Frieder Burda trifft Malerei auf Avatare – und macht man ganz erstaunliche Erfahrungen.

Man könnte angeblich auch Sex mit ihnen haben. Dafür sind Damen dieser Art normalerweise da, dass man sie sich nach Hause holt und gefügig macht, weil das anderweitig wohl nicht gelingt. Diese drei langhaarigen Frauen, die mit aufreizenden High Heels und engen Klamotten im Museum Frieder Burda herumsitzen, wollen allerdings nur reden. Sie plaudern und geben brav Antworten auf Fragen. Wenn man wissen will, wie es ihnen geht, sagen sie artig „I’m fine, thank you“.

Die Wirkung der Kunstfiguren ist enorm

Es ist immer ein wenig aufregend, menschenähnliche Roboter zu erleben. Die Begegnung mit drei weiblichen Kunstfiguren im Museums Frieder Burda ist aber besonders spannend. „Transformers“ nennt sich die neue Ausstellung, bei der zwischen Gemälden aus der eigenen Sammlung einige künstliche Wesen auftauchen. Die Wirkung ist phänomenal. Denn es ist keine technische Hochleistungsschau, mit der das Museum seine Modernität demonstrieren will, sondern der Einsatz künstlicher Wesen ist klug durchdacht.

Die Puppe wird immer schlauer

Dabei hat die Künstlerin Louisa Clement nichts anderes getan, als „Repräsentantinnen“ ihres eigenen Körpers herzustellen, wie sie sie nennt. Die Silikon-Figuren aus dem 3-D-Drucker sind Kopien ihrer selbst – mit schwarzen Nägeln, großen Augen und Lippenstift. In den Puppen sind Chatbots implantiert, damit man mit ihnen plaudern kann – wobei sie leider nur auf Englisch reagieren. Jedes Double der Künstlerin lernt in den Gesprächen dazu und wird dadurch, wie es so schön heißt, immer intelligenter. Falls die Puppe etwas nicht versteht, fragt sie übers Internet bei Mr. Google nach.

Für unsereinen ist es nach wie vor beunruhigend und geheimnisvoll, neben einer solch sprechenden Kunstfigur zu sitzen, gar mit ihr zu reden. Im Kontext der Gemälde von Gerhard Richter oder Anselm Kiefer wird aber bewusst, dass diese Faszination doch eindimensional ist: Denn letztlich ist das Ziel bei der Erschaffung künstlicher Wesen und Androide, dass sie den Menschen möglichst perfekt imitieren. Mehr aber auch nicht.

Kunst will die Realität überlisten

Und plötzlich wird durch die Gegenüberstellung bewusst, wie raffiniert und vielfältig dagegen Kunst die Wirklichkeit überlisten kann. Sie bietet der Realität Paroli, statt sich von ihr gängeln zu lassen und sich ihr gar unterzuordnen. So hat Pablo Picasso etwa einen Frauenakt in Farbfelder zerlegt. Die Uniformierten von Markus Lüpertz tragen wiederum statt Kopf einen Helm oder eine Art Mütze, ein eigenwillig verwachsenes Etwas, das eher eine Geisteshaltung zum Ausdruck bringt als ein Objekt ist.

Den gemalten Winterwald riecht man förmlich

Durch die Präsenz der humanoiden Roboter wird das Potenzial dieser Malerei auf wundersame Weise greifbarer. Wo die „Repräsentantinnen“ von Louisa Clement nur imitieren, sind den Gemälden zahlreiche Schichten und Ebenen eingeschrieben, formal wie inhaltlich. Gerhard Richter hat etwa eine weinselige Partygesellschaft aus den 1960er Jahren gemalt, der Leinwand aber auch Risse zugefügt und diese grob vernäht. Prompt läuft vor dem geistigen Auge ein Film über die Verdrängung im Nachkriegsdeutschland ab. Und wenn Alex Katz einen verschneiten Wald malt, so geht es nicht um die Kopie der Natur, sondern um deren Erweiterung – man riecht und fühlt den Schnee förmlich.

Etwas Wichtiges zu sagen

Spannend wird es im Grunde also erst, wenn Wirklichkeit nicht imitiert, sondern angereichert wird – und die Belebung künstlicher Wesen kein reiner Selbstzweck bleibt. Deshalb ist Ryan Ganders Installation „I I I“ derzeit auch ein Publikumsliebling im Kunstbetrieb und wird im Burda-Museum sicher viele neue Fans bekommen. Eine sprechende Maus scheint sich durch die Wand des Gebäudes gefuttert zu haben und streckt nun ihr wackelndes Köpfchen neugierig heraus. Ganders Kind hat den Text dieser stotternden Maus geliefert: „I... oh... so... I am... I“ sagt sie wieder und wieder und scheint etwas wirklich Wichtiges ausdrücken zu wollen. Es kommt aber einfach nicht heraus aus dem kleinen Mäulchen.

Gemälde sind verlässlicher als Technik

So werden Technik und Tradition in der Baden-Badener Ausstellung keineswegs gegeneinander ausgespielt, stattdessen macht das gelungene Experiment die unterschiedlichen Qualitäten der verschiedenen Medien sichtbar. Trotzdem wird man danach vermutlich etwas nüchterner auf die schöne neue Welt der Androide und KI schauen, während man die Reize der Malerei durch die Gegenüberstellung vielleicht wieder mehr zu würdigen weiß. Und das auch aus ganz pragmatischen Gründen. Denn Bilder hängen verlässlich an der Wand - während die monsterhaft tanzende „Female Figure“ von Jordan Wolfson kurz nach der Ausstellungseröffnung leider schon wieder defekt war.

Mit dem Computer plaudern

Android
Ein humanoider Roboter ist der menschlichen Gestalt nachempfunden. Auch ein Android ist ein humanoider Roboter, der aber nicht nur menschliche Bewegungen imitiert, sondern dem Menschen täuschend ähnlich sieht. Chatbot oder Bot meint ein Computersystem, bei dem man sich sozusagen mit dem Computer unterhält.

Ausstellung
bis 30. April, geöffnet Di – So 10 bis 18 Uhr. adr