Lange Nacht der Museen: Letzter Portier des unterirdischen Marktplatz-Hotels erinnert sich.
Stuttgart - In diesem Hotel ging so manche Nachttischlampe nie aus. Ein Bunker kennt keine Fenster. Nicht jeder Gast fühlt sich wohl, wenn er in einem engen Raum liegt und es stockduster ist. Fernsehgeräte zur Ablenkung waren in Hotelzimmern noch lange kein Standard. "Deshalb ließen viele das Licht beim Schlafen die ganze Nacht an", erinnert sich Dieter Haur, der letzte Portier des im Oktober 1985 geschlossenen Bunkerhotels am Marktplatz. Am Samstag, wenn sich sein ehemaliger Arbeitsplatz für die Lange Nacht der Museen öffnet, wird der 71-Jährige den Besuchern Geschichten von der Unterwelt erzählen. Und wie immer dürfte es Schlangen vor dem Eingang geben - die Faszination ist groß, wenn es um das geht, was unter der Erde liegt.
30 Stufen führen in die Tiefe hinab, zu einem langen, engen Flur. Heute wellen sich hier Tapeten mit Blümchenmuster und erinnern daran, dass nach dem Krieg die Ansprüche nicht groß waren, aber man es trotzdem gemütlich haben wollte. Für Menschen mit Platzangst war diese Herberge, die nach dem Krieg im zerstörten Stuttgart das erste Hotel der Stadt war, der pure Stress. Einmal sei eine ältere Frau schreiend aus ihrem zwei mal drei Meter großen Einzelzimmer gerannt. "Wir haben sie dann in einem Zimmer mit Doppelbett untergebracht", berichtet Haur, "das war größer." Auch wenn die Fenster fehlten, sei die Luft nicht schlecht gewesen, sagt Haur: "Die Lüftung hat immer gut funktioniert."
Stuttgart hatte das am längsten geführte Bunkerhotel Deutschlands
Die zu Hotelzimmern umgebauten Schutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg bildeten in Stuttgart das am längsten geführte Bunkerhotel Deutschlands. 100 Betten gab es hier. "Zuletzt hat die Stadt 40 Prozent der Zimmer belegt", sagt Haur, "damit war die Nachfrage so groß, dass wir fast immer zu 90 Prozent ausgebucht waren."
Lange bevor die geplante Tieferlegung eines Bahnhofs die Stadt geteilt hat, war die Tieferlegung eines Hotels bei prominenten Gästen der Stadt beliebt. Der 1978 verstorbene Kabarettist Werner Finck, der 1948 die Kleinkunstbühne Mausefalle an der Tübinger Straße gegründet hatte, schrieb folgenden sinnigen Spruch ins Gästebuch: "Tief runtergekommen und doch auf der Höhe: das Bunkerhotel in Stuttgart." Auch der Fußballspieler Karl Barufka, der Dirigent Otto Winkler und der Schauspieler Albrecht Schoenhals stiegen hier ab, also 30 Stufen hinab, um genau zu sein. Eine Absteige war's trotzdem nicht.