In der Kaserne in Pfullendorf soll es zu Misshandlungen und Demütigungen im Rahmen der Sanitätsausbildung gekommen sein. Foto: dpa

Zu den Gewaltexzessen am Standort Pfullendorf kommen immer mehr Details ans Licht. So wurde die Beschwerde eines Soldaten offenbar zurückgewiesen – und die Soldatin, die den Stein ins Rollen brachte, anschließend von Vorgesetzten gemobbt.

Stuttgart - Die Verfehlungen am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen der Bundeswehr in Pfullendorf und die Fehler bei der Dienstaufsicht im Umgang damit sind noch ernster als in der Öffentlichkeit bisher bekannt. Nicht nur, dass Soldaten in der Sanitätsausbildung angeblich zu Ausbildungszwecken dabei gefilmt wurden, wie ihnen Tampons in den After gesteckt wurden. Die Soldatin, die dies gemeldet und damit eine Änderung der entwürdigenden Ausbildungspraxis erwirkt hatte, war anschließend offenbar schwerstem Mobbing von Kameraden und auch von Vorgesetzten ausgesetzt. Darüber hat Generalinspekteur Volker Wieker dem Vernehmen nach die Obleute des Verteidigungsausschusses am Montagabend informiert. Dabei wurde auch dargelegt, dass ein weiterer Soldat die Vorgänge Vorgesetzten gemeldet hatte. Das Ausbildungszentrum des Heeres in Leipzig habe die Beschwerde aber zurückgewiesen und die betroffenen Unterrichtseinheiten für in Ordnung befunden.

Bei dem entgleisten Aufnahmeritual Anfang vergangener Woche waren Soldaten auf einen Stuhl gefesselt worden; danach zog man ihnen einen Stiefelsack über den Kopf und spritzte sie mit kaltem Wasser ab. Dass es so kurz nach den Vorfällen in der Sanitäterausbildung am gleichen Standort erneut zu Verstößen gegen die Leitlinien der Inneren Führung gekommen ist, wird von Parlamentariern als Alarmzeichen eingestuft. Mittlerweile wurden sieben Soldaten entlassen; die Versetzung von sieben weiteren ist eingeleitet. Dazu zählt auch der Kommandeur des Ausbildungszentrums, Thomas Heinrich Schmidt.

„Schleierhaft, warum keine dieser Instanzen angesprungen ist“

Wegen der skandalösen Vorgänge will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch in dieser Woche die Inspekteure der Teilstreitkräfte ins Gebet nehmen. Dies kündigte ihr Sprecher Jens Flosdorf am Montag an. Von der Leyen werde deutlich machen, dass die Bundeswehr mit aller Konsequenz gegen solche Missstände und Verstöße gegen die Prinzipien der Inneren Führung vorgehen müsse.

Hört man sich in der Truppe und im Parlamentarischen Raum um, dann werden allerdings nicht die Inspekteure als säumig wahrgenommen. „Die Inspekteure sind viel zu weit weg von der Truppe. Das ist die falsche Adresse“, sagte ein Soldat dieser Zeitung. Er wundere sich aber, dass das Ausbildungskommando des Heeres in Leipzig die Dienstaufsicht nicht verschärft habe, als die ersten Hinweise auf Misstände in Pfullendorf gemeldet worden seien. „Es gibt Inspizienten für die Offiziers- und für die Unteroffiziersausbildung. Wir haben Vertrauensleute und Frauenbeauftragte. Mir ist schleierhaft, warum keine dieser Instanzen angesprungen ist.“

Kritik an der Öffentlichkeitspolitik des Ministeriums

Agnieszka Brugger, die Verteidigungsexpertin der Grünen, attestiert der Verteidigungsministerin selbst gravierende Defizite in Sachen Innere Führung. „Der Maulkorberlass, mit dem Frau von der Leyen den Soldaten Gespräche mit Parlamentariern und Presse untersagen will, steht ganz klar im Widerspruch zur Inneren Führung“, monierte sie. „Dass der gute Soldat ein Soldat ist, der Fehlverhalten meldet, muss von oben ganz klar signalisiert werden“, fordert auch der SPD-Politiker Rainer Arnold. Beide sind nach wie vor erbost, dass das Parlament nicht schon im Herbst 2016 informiert worden ist. Damals hatte sich die Mutter der wegen ihrer Kritik gemobbten Soldatin zunächst an den Wehrbeauftragten und dann auch an Ministerin von der Leyen gewandt. Das Ministerium war aber erst an die Öffentlichkeit gegangen, als ein sogenanntes Aufnahmeritual Anfang vergangener Woche entgleiste und die Einschaltung der Staatsanwaltschaft nötig machte.

Henning Otte, der Verteidigungsexperte der Union, kritisierte den Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels, der im Oktober 2016 in der Sache angerufen worden ist. „Ich hätte erwartet, dass er als Hilfsorgan des Bundestages die Sprecher der Fraktionen im Verteidigungsausschuss informiert hätte“, sagte Otte. Weder mündlich noch in der gedruckten Fassung des Berichts des Beauftragten wird der Skandal erwähnt.