Heike Hänsel, Florian Hering und Stefan Kaufmann streiten im Geschwister-Scholl-Gymnasium über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Foto: Cedric Rehmann

Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums organisieren eine Diskussion über Bundeswehreinsätze.

Sillenbuch - Es gibt Worte, die einschlagen wie Haubitzen – gerade in einer Diskussion um Krieg und Frieden. Die Linken-Politikerin Heike Hänsel benutzte einen solchen Begriff in der Podiumsdiskussion vergangene Woche im Geschwister-Scholl-Gymnasium: Terror. Der fällt zwar häufig, wenn von Afghanistan die Rede ist. Die eisernen Mienen bei anderen Diskussionsteilnehmern erklären sich aber aus dem Kontext, den die Politikerin wählt. Denn von den üblichen Verdächtigen, den Taliban oder Al-Kaida, spricht sie nicht. Stattdessen berichtet Hänsel von dem, was Afghanen ihr über den Alltag am Hindukusch erzählt haben. Von nächtlichen Razzien der Nato-Soldaten ist da die Rede oder von den vielen zivilen Opfern durch Drohneneinsätze.

Die Zuhörer vor dem Podium hören Hänsel gebannt zu, genau wie die Herren auf der Bühne. Sogar der politische Gegner in Person des CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann scheint Hänsel sehr ernst zu nehmen. Der Grund für ihre Glaubwürdigkeit liegt auf der Hand: Die Bundestagsabgeordnete aus Tübingen war selbst in Afghanistan. Anders als Kaufmann und viele andere Parlamentarier, die alle Jahre wieder mit ihrem Ja zur Isaf-Mission den Bundeswehreinsatz am Hindukusch verlängern.

Diskussionsabend als Schulprojekt

Die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums können mit der Auswahl ihrer Gäste zufrieden sein. Sie haben den Diskussionsabend für einen Seminarkurs organisiert, der für ihr Abitur zählt. Der Kurs trägt den bezeichnenden Namen „Was uns bewegt“. Die Lehrer werden bewerten, wie die Schüler sich auf die Moderation vorbereitet und nach welchen Kriterien sie Diskussionsteilnehmer ausgewählt haben.

Dabei ist den Schülern das Wichtigste für eine anregende Debatte geglückt: Sie haben Menschen auf das Podium gebracht, die etwas zu sagen haben und bei aller gebotenen Fairness doch in einer gewissen Spannung zueinander stehen.

Ein junger Mann mit Millimeterhaarschnitt greift zum Mikrofon, sobald die Kriegsgegnerin Hänsel das ihre aus der Hand legt. Florian Hering ist Jugendoffizier bei der Bundeswehr – und auch er war in Afghanistan. Hering erzählt nur wenig von dem, was er in dem kriegsgeplagten Land erlebt und gesehen hat. Doch er spricht offen darüber, was der Einsatz mit ihm gemacht hat. Unter einer posttraumatischen Belastungsstörung – wie viele andere – leidet er nicht. Gleichwohl berichtet Hering, wie er sich nach der Mission zunächst sogar von der Familie zurückgezogen hat. „Ich wollte mit niemanden über Afghanistan sprechen“, sagt er.

Jugendoffizier gesteht Belastung

Hering lobt die Betreuung durch die Bundeswehr, die ihm geholfen habe, die Erlebnisse zu verarbeiten. Damit gibt er zu, dass das robuste Mandat auch robuste Folgen für den Soldaten hat. Hänsel, die Bundeswehrkritikerin, hört den Schilderungen des Offiziers zu. Heftig widerspricht sie dagegen seinen Schlussfolgerungen. Denn der Soldat wehrt sich gegen das Urteil, das längst auch in bürgerlichen Kreisen über die Afghanistan-Mission fällt: gescheitert. Vielleicht weil der Veteran damit die Anstrengungen der Bundeswehr und das eigene Risiko herabgewürdigt sieht.

Stefan Kaufmanns Bekenntnis zum Einsatz klingt wenig enthusiastisch. Er verwendet Allgemeinplätze, als er die Politik des Westens am Hindukusch bewerten soll: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Heike Hänsel hatte zuvor als Alternative zum Krieg Verhandlungen mit den Taliban angemahnt. Solche Gespräche hätten schon 2001 dazu führen können, dass sich die machthungrige Miliz von dem Terrornetzwerk distanziert. Kaufmanns Ausblick auf die Zeit nach dem für 2014 geplanten Nato-Rückzug ist vage. „Was danach kommt, können wir jetzt noch nicht sagen“, sagt er.

Für den vierten Diskussionsteilnehmer, Odilo Metzger von der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, kommt der Rückzug in jedem Fall zu spät. Schon viel früher hätte die Staatengemeinschaft das Geld besser in die Entwicklungszusammenarbeit mit dem bitterarmen Land investiert, sagt er. Eines steht für Metzger fest: „In Afghanistan sind wir richtig auf dem falschen Weg.“