Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Kritik Foto: dpa pool

Von Generalen bekommt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen selten Kontra. Frank Leidenberger, Dreisternegeneral beim Heer hat jetzt eine Ausnahme gemacht und vernichtende Kritik am Beschaffungswesen der Bundeswehr geübt.

Berlin - Die Kritik an den Schwachstellen des Beschaffungs- und Rüstungswesens bei der Bundeswehr wird immer lauter. Nachdem zuletzt Berichte über weitere Verzögerungen beim Einkauf wichtiger Waffensysteme bekannt geworden sind, hat jetzt ein hochrangiger Heeres-General einen Alarmruf abgesetzt. „Die bisher beschrittenen Wege zur Beschaffung von Ausrüstung für die Bundeswehr führen schon heute nicht zu voll einsatzbereiten Landstreitkräften, für moderne digitalisierte Landstreitkräfte der Zukunft erscheinen sie weitgehend ungeeignet“, schreibt der Dreisterne-General Frank Leidenberger in einem 13-seitigen Thesenpapier auf der Internetseite des Heeres. „Die Verfahren für Planung, Beschaffung und den Haushaltsvollzug sind regelmäßig zu langsam und gefährden so die äußere Sicherheit Deutschlands“, erklärt der General. „Die derzeitige Herangehensweise an Planung und Beschaffung verhindert, dass die Ausstattung der Landstreitkräfte mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten kann.“

Die Komplexitätsfalle und die Überforderung der Akteure

Unter den Bedingungen der Digitalisierung, wird sich nach seinen Erwartungen dieser Trend noch massiv verstärken. Nur wenig verklausuliert formuliert Leidenberger sein Fazit: dass sich die technische Überlegenheit der Streitkräfte so weder herstellen oder halten lässt. Die bisherige Beschaffungsorganisation sieht er in der „Komplexitätsfalle“, weil Planung und Beschaffung getrennt sind, das Controlling „nicht zielgerichtet“ ist und die Bundeshaushaltsordnung schwer umzusetzen ist.

„Die derzeitige Beschaffungspraxis ist darauf ausgerichtet, Risiken möglichst auszuschließen und strebt maximale (rechtliche) Sicherheit und Regelkonformität an“, schreibt der General. Dadurch entstünden immer komplexere, teilweise widersprüchliche Regelungen mit immer höherem Abstimmungsbedarf. „Die in diesem Rahmen agierenden Akteure sind oft überfordert und werden zudem an Zielen gemessen, die von denen „der Truppe“, dem eigentlichen Leistungerbringer des Gesamtunternehmens Bundeswehr, entkoppelt sind“.

Das Ministerium gibt keine Bewertung ab

Deutlicher ist selten formuliert worden, dass die Bürokratie ein Eigenleben entwickelt, das sich kontraproduktiv zum eigentlichen Zweck der Bundeswehr verhält: effizienter Verteidigungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Streitkräfte.

Leidenbergers Stellungnahme hat Gewicht. Denn erstens ist das Heer die größte Teilstreitkraft, und zweitens ist Leidenberger nicht irgendwer. Als Drei-Sterne-General zählt er sowieso zur höchsten militärischen Führungsebene. Zudem ist er unter anderem für militärische Grundorganisation im Kommando Heer zuständig. Das ist die einzige höhere Kommandoebene im Heer und zentrales Planungs-, Führungs-, Lenkungs- und Kontrollinstrument des Heeresinspekteurs. Die Kritik trifft auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die vor vier Jahren mit Reformen im Rüstungswesen begonnen hat. Das Ministerium wollte das Papier auf Anfrage nicht bewerten.