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Guttenbergs Reformplan beschäftigt Wehrexperten, Juristen und soziale Einrichtungen.

Berlin - Die SPD unterstützt Pläne des Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für eine Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 und für einen anschließenden freiwilligen Grundwehrdienst. Auch der Bundeswehrverband hält dieses Konzept für machbar. "Ich halte das Datum für realistisch", sagt SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete ergänzt: "Nun sollten Entscheidungen so schnell wie möglich umgesetzt werden."

Wie diese Zeitung am Dienstag berichtete, strebt das Verteidigungsministerium die Aussetzung der Wehrpflicht zum Sommer 2011 an. Zuvor will Minister zu Guttenberg auf Parteitagen von CDU und CSU für sein Anliegen werben. Arnold forderte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf, unverzüglich Gespräche mit der SPD aufzunehmen. Es müssten Anreize geschaffen werden, um mindestens 25000 junge Freiwillige für den Dienst an der Waffe zu gewinnen. Arnold: "Eine Aussetzung ohne konkrete Ausgestaltung der Freiwilligkeit käme dagegen einer Abschaffung gleich."

Freiwilliger Wehrdienst bedeutet auch freiwilliger Zivildienst

Von der geplanten Aussetzung der Wehrpflicht ist auch der Wehrersatzdienst betroffen, der Zivildienst also. Wenn nur noch Freiwillige zur Waffe zu greifen brauchen, kann auch der Zivildienst nur auf freiwilliger Basis funktionieren. Damit fielen in den sozialen Einrichtungen per se jene 90.000 jungen Arbeitskräfte pro Jahr aus allen Planungen heraus, mit denen die Institutionen bisher grundsätzlich rechnen durften.

Für die aufwendige Pflege und Betreuung von Kindern, Jugendlichen, kranken, behinderten und alten Menschen bedeutet der Wegfall dieser Zivis einen belastenden Einschnitt. Das zuständige Bundesfamilienministerium prüft derzeit die Auswirkungen einer Aussetzung der Wehrpflicht. Im September will Ministerin Kristina Schröder (CDU) ihren Kabinettskollegen berichten.

"Wir brauchen Lösung um Zivis zu ersetzen"

Der Paritätische Wohlfahrtsverband ahnt, was auf die sozialen Träger zukommt, die Zivis einsetzen. "70 bis 80 Prozent der jungen Männer leisten Dienst am Menschen; sie bringen Leistungen, für die das Personal keine Zeit hat - sie reden mit den Menschen", betont Zivildienstexperte Thomas Niermann. "Zum einen ist es die Enkelgeneration, die in den Pflegeheimen Zivildienst leistet; zum anderen bauen in der Jugendbetreuung notorische Schulschwänzer ein engeres Verhältnis zu ihrem Zivi als zu ihrem Sozialarbeiter auf." All das, weiß Niermann, "ist keine Begründung für die Erhaltung der Wehrpflicht, aber wir brauchen eine adäquate Lösung, um den Zivi als gesellschaftliche Größe zu ersetzen, wenn Wehr- und Ersatzdienste ausgesetzt werden".

Schon die Verkürzung des Zwangsdienstes auf sechs Monate zum 1. Januar 2011 hat auch erhebliche rechtliche Konsequenzen. Wehrpflichtige, die ihren Einberufungsbescheid zum 1. Juli erhielten, können gegen den Bescheid klagen. Mit dem Wehrdienstrecht beschäftigte Juristen weisen darauf hin, dass es in den Einberufungen wegen der wechselnden Rechtsgrundlage keine präzise und korrekte Festlegung der Dienstdauer gibt. Jene Schreiben gehen noch von einer neunmonatigen Dienstdauer aus, die sich zum 1. Januar 2011 jedoch ändert. Zum Jahreswechsel kann jeder die Entlassung beantragen, der an diesem Tag sechs Monate oder länger eingezogen ist.