Afghanistan: Der Schatten eines Bundeswehrsoldaten fällt bei einer Patrouille in der Ortschaft Nawabad, im Distrikt Charrah Darreh, auf eine Lehmwand. Foto: dpa

Es gibt keine Alternative dazu, das Bundeswehrmandat für den die Afghanistan-Mission zu verlängern, meint unser Kommentator.

Stuttgart - „Das Risiko, in Afghanistan im Krieg zu sterben, ist so groß, wie in einem deutschen Krankenhaus an multiresistenten Bakterien zu sterben“, war Christian Klos im vergangenen Dezember überzeugt. Hat der Leiter des Stabes Rückkehr im Bundesministerium des Inneren Recht, dann steht es schlecht um das deutsche Gesundheitswesen: fast 400 Menschen starben bislang alleine in diesem Jahr bei den 35 Terroranschlägen in Afghanistan. Ungezählt sind die Zivilisten, die bei Gefechten, Artilleriebeschuss und Luftangriffen ihr Leben ließen. US-Analytiker gehen von mehreren Hundert Toten aus. Die Verletzten zählt schon niemand mehr.

In zwei Drittel der Provinzen Afghanistans wird gekämpft. Zwischen 30 und 40 Prozent des Landes werden wieder von den Taliban oder anderen islamistischen Terrororganisationen kontrolliert – 16 Jahre, nachdem der Kampf gegen den Terror am Hindukusch begann. Selbst die von Polizisten und Soldaten nur so wimmelnde Hauptstadt Kabul, räumten Afghanistans Innen- und Verteidigungsminister kürzlich ein, können sie derzeit nicht schützen.

Afghanistan-Mission war von Anfang an verkorkst

Das also sind – bei aller Dummheit, die sich offenbar im deutschen Innenministerium breitmacht – die Rahmenbedingungen, unter denen die Abgeordneten des Bundestages in zwei Wochen darüber entscheiden müssen: Verlängern Sie das Mandat, mit dem sie derzeit bis zu 980 Soldaten als Ausbilder afghanischer Sicherheitskräfte an den Hindukusch entsenden? Oder beenden sie für die Bundeswehr die Mission?

Eine Mission, die von Anfang an verkorkst war. Niemand nannte neun Jahre lang das beim Namen, was in Afghanistan herrscht: Krieg. Ein „Tabubruch“, als der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) es 2010 tat. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen (CDU) schwadroniert öffentlich lieber über gestiegene Bildungschancen und gesunkene Sterberaten von Neugeborenen als über die Toten, die nahezu tagtäglich den Weg der Taliban zurück an die Macht pflastern. Als ihr die in Afghanistan stationierten Soldaten im Dezember meldeten, sie könnten effektiver arbeiten, wenn sie von deutschen Kampftruppen geschützt würden, versucht die Ressortchefin das noch als Beweis für gute Entwicklung zu verkaufen.

Keine Alternative zum Dialog mit den Taliban

Dabei entwickelt sich in Afghanistan kaum etwas positiv. Das ist das Dilemma für die Bundestagsabgeordneten: Ziehen sie die deutschen Soldaten ab, fällt das Land unwiderruflich in die Hände islamischer Fundamentalisten. Dann sterben Tausende Menschen in Afghanistan – gerade die, die seit 16 Jahren dem Westen vertrauen, dass alles gut werde. Fällt der Hindukusch, ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich auch von Afghanistan aus wieder islamistischer Terror in der Welt verbreitet. Erschwert wird die Entscheidung durch US-Präsident Donald Trump. Der hat seinen Soldaten längst befohlen: „Terroristen töten“, „keine Nation mehr aufbauen“ – und vor allem kein Gespräch mit den Taliban.

Zum Dialog mit denen gibt es keine Alternative. Ihre wie auch immer gestaltete Beteiligung an einer afghanischen Regierung wird mit jedem Tag, mit jedem Anschlag wahrscheinlicher – ja, unausweichlich. Das sollten die Soldaten wissen, bevor ihr Mandat verlängert wird; Fakten statt Durchhalteparolen, und Schönfärberei – auch und gerade von ihrer Ministerin. Und wenn die Abgeordneten trotz der verfahrenen Situation etwas Gutes tun wollen, dann schicken sie Christian Klos mit an die Hindukuschfront – jenen unsäglich ignoranten Referatsleiter im Innenministerium.