Wer einen Studienplatz in Medizin ergattert hat, der hat zuvor ein Spitzenabi hingelegt. Foto: dpa

In keinem anderen Studienfach ist die Abinote so wichtig wie in Medizin. Ist das gerecht? Sind Studienplatzbewerber in ihrem Grundrecht auf freie Wahl des Ausbildungsplatzes beeinträchtigt? Das Verfassungsgericht stellt dazu manch eine interessante Frage.

Karlsruhe - Die Note im Abitur ist für den Erfolg im Studium nicht nur wichtig, um einen Studienplatz zu bekommen, sie ist auch aussagekräftig in Bezug auf einen Studienerfolg. Darin sind sich am Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe rund ein halbes Dutzend an Experten einig. Allerdings: der Teufel steckt im Detail, und die Richter zeigen sich überaus fragefreudig in dem Versuch zu ergründen, ob die Studienplatzvergabe für Medizin im Jahr 2017 noch den Anforderungen an die Gerechtigkeit genügt.

Bei den Medizinern schlägt der Numerus clausus besonders zu Buche. 20 Prozent der Studienfächer werden ausschließlich über die Bestenliste vergeben, weitere 60 Prozent über Auswahlverfahren der Hochschulen, doch auch da spielt der Abischnitt eine maßgebliche Rolle. Und etwas überraschend kam bei der Verhandlung vor dem Ersten Senat zu Tage, dass selbst nach 15 Semestern Wartezeit die Abinote noch nicht ganz an ihrer Bedeutung verloren hat.

Es fehlt ein wichtiger Vergleich

Dabei hat die Abinote ihre Tücken. Es mache einen Unterschied ob man ein Abi von 1,0 habe und der Schnitt des Schuljahrgangs liege bei 2,0 oder 4,0 sagt Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Heyo Kroemer, der Präsident des medizinischen Fakultätentags berichtet von einem „Einstrom an 1,0-Abiturienten“ und Wolfgang Hampe von der Hamburger Uni erklärt, dass „Studienerfolg“ bei Medizin mehr sei als „gute Noten in Biochemie bis zum vierten Semester“. Wenn angehende Mediziner auf die Patienten losgelassen werden, so die Ansicht mehrerer Wissenschaftler, verblasse die Bedeutung der Abiturnote.

Das letzte mal hatte das Bundesverfassungsgericht vor rund 45 Jahren zum Thema Numerus clausus und dessen sozialer Gerechtigkeit Stellung bezogen. Es scheint nach der Verhandlung am Mittwoch absehbar, dass die seither mehrfach modifizierten Regeln erneut generalüberholt werden müssen. Interessiert nahmen die Richter die Erklärungen zur Ortspräferenz entgegen. Sechs Wunschuniversitäten müssen die Bewerber angeben, und dann kann es dazu kommen, was Ulf Bade von der für die Studienplatzvergabe zuständigen Stiftung für Hochschulzulassung als „verteilungsgeschädigt“ bezeichnet. Ein Student hat trotz Spitzenabi sechs Wünsche geäußert, bei denen er nicht sofort zum Zuge kommt, hätte er andere Wunschunis erwählt, dann hätte er den Platz erhalten.

Verfassungsrichter ist erstaunt

Dass es diese Ortsbenennung bei all jenen Bewerbern, die über eine Wartezeitregel den Studienplatz erhalten nicht gibt, das erstaunte den Berichterstatter des Verfahrens, Wilhelm Schluckebier, doch ersichtlich. Dass die Stiftung wegen der im Augenblick verwendeten Computerprogramme nicht auf die Ortswünsche beim Hauptfeld der Bewerber verzichten mag, das beeindruckte keinen der Verfassungsrichter. Wohl aber das Auswahlverfahren mit sehr persönlichen Interviews, wie es in Hamburg geführt wird. Das hat aber seinen Preis: Es kostet mehrere hundert Euro pro Bewerber. Ein Urteil wird in einigen Wochen ergehen.