In drei Monaten machen die Bürger ihr Kreuzchen Foto: 105180293

Start in den Bundestagswahlkampf: Sechs Kandidaten haben in Stuttgart über Migrationsfragen diskutiert und einen überwiegend liberalen Grundton angeschlagen.

Stuttgart - Gute Idee des Deutsch-Türkischen Forums, des Stuttgarter Forums der Kulturen und des Katholischen Bildungswerks: Fast auf den Tag genau drei Monate vor der Bundestagswahl am 24. September luden die drei Veranstalter am Freitagabend Bundestagskandidaten von sechs Parteien zu einem Podiumsgespräch über Themen ein, die in Stuttgart mit einem Migrantenanteil von rund 40 Prozent besondere Relevanz haben. Themen wie Wahlrecht, kulturelle Vielfalt oder Flüchtlingspolitik. Es ist die erste derartige Stuttgarter Runde mit Bundestagskandidaten in diesem Jahr, und die Resonanz fällt aus Veranstaltersicht erfreulich aus: Rund 100 Zuhörer haben den Weg in das Haus der Katholischen Kirche gefunden, darunter viele junge Menschen. Politik scheint auch im Sommer nicht ganz uninteressant zu sein.

Kommunales Wahlrecht für Drittstaatler?

Interesse hin oder her: Hier lebende Migranten dürfen sich an der Bundestagswahl nur beteiligen sofern sie einen deutschen Pass besitzen. Sollte das Wahlrecht entsprechend geändert werden?, will Moderatorin Priya Bathe, Journalistin mit Migrationshintergrund, von den Podiumsteilnehmern wissen. Mit Ausnahme der Reutlinger Linken-Politikern Jessica Tatti verneint die Runde. Anders sieht es mit dem kommunalen Wahlrecht aus, das bisher Deutschen und anderen EU-Bürgern vorbehalten ist. Anna Christmann (Grüne, Stuttgart Wahlkreis 2), Michael Jantzer (SPD, Wahlkreis 2) und Judith Skudelny (FDP, Wahlkreis 1) unterstützen die Überlegung, auch Drittstaatlern in den Kommunen an die Wahlurnen zu bitten. Stefan Kaufmann (CDU, Wahlkreis 1) sieht darin ausdrücklich einen Beitrag zur Partizipation. „Ich halte das für wichtig und vertretbar“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete. Lothar Maier (AfD, Wahlkreis 2) dagegen lehnt eine Ausweitung des Wahlrechts ab, „wenn auch nicht kategorisch“.

Kaufmann stellt Doppelpass nicht in Frage

Jenseits von AfD-Positionen ist die Diskussion geprägt von einem Stuttgart-typischen liberalen Grundton in Migrationsfragen. Das zeigt sich auch beim Doppelpass. Kaufmann vertritt die Ansicht, der Doppelpass sollte nicht in Frage gestellt werden – trotz „eines gewissen Rückruderns der CDU angesichts des Ausgangs des Türkei-Referendums“. Allerdings ist er, wie Skudleny (FDP), für einen „Generationenschnitt“; demnach müsste sich die dritte Generation für einen Pass entscheiden.

Bleibt das Thema Leitkultur, das Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zuletzt neu aufgerufen hat. Kaufmann kann damit nach eigenen Worten „nicht viel anfangen“. Ihm genügt die Bereitschaft, „sich für unsere Kultur zu öffnen“. Christmann (Grüne) will über das Grundgesetz hinaus „niemandem vorschreiben, wie er hier zu leben hat“. Jantzer (SPD) sieht „Vielfalt als Reichtum“, und Skudelny stellt unter Applaus fest: „Es gibt nicht die eine Leitkultur. Die Lebensgewohnheiten sind verschieden“ – zu besichtigen zeitgleich auf dem Schlossplatz, wo sich asiatische Familien zum Picknick auf der Rasenfläche niedergelassen haben.