„Wir stehen zusammen. Wir führen gemeinsam“, sagt Robert Habeck am Wahlabend über sich und seine Co-Parteichefin Annalena Baerbock. Foto: AFP/Tobias Schwarz

Die Ökopartei wollte mit Annalena Baerbock die Regierungschefin stellen, am Ende reichte es nur für Platz drei. Trotzdem sind die Grünen einigermaßen zufrieden: Sie dürften der nächsten Regierung angehören.

Berlin - Es gibt Wahlabende, die wie ein Veggie Day in der Betriebskantine daherkommen. Nicht Fisch, nicht Fleisch, aber irgendwie doch ganz okay.

Bei den Grünen ist das am Sonntag in etwa die Stimmung: Im Bund holen sie ihr bisher bestes Ergebnis. Aber das ursprüngliche Ziel, nämlich das Kanzleramt, verfehlen sie krachend. Weil die Ökopartei aber zugleich beim Urnengang im Land Berlin sehr stark abschneidet, kommt bei der gemeinsamen Wahlparty von Bundes- und Landesgrünen am Abend dann doch gute Laune auf. Die Columbiahalle am alten Flughafen Tempelhof bebt, zumindest zeitweise.

Als Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kurz nach der ersten Hochrechnung auf die Bühne tritt, ist ihr keinerlei Enttäuschung anzusehen. Sie räumt Fehler ein und richtet zugleich den Blick nach vorn. Man könne an diesem Abend nicht nur jubeln, sagt sie. „Wir wollten mehr. Das haben wir nicht erreicht.“ Dieses Mal habe die Partei das große Ziel, nämlich das Kanzleramt, noch verfehlt. Die Grünen aber hätten weiterhin einen Auftrag. „Man spürt: Dieses Land braucht einen Aufbruch. Dieses Land braucht eine Klimaregierung.“

Das Ziel ist eine „Klimaregierung“

Auch Robert Habeck, neben Baerbock der zweite Vorsitzende der Ökopartei, benutzt das Wort „Klimaregierung“. Das sei „der Auftrag für die nächsten Wochen und Monate“. Habeck sagt auch: „Wir stehen zusammen. Wir führen gemeinsam.“ Niemand soll auf die Idee kommen, dass Baerbock angeschlagen sei und Habeck Rache plane, weil er selbst nicht die Partei als Kanzlerkandidat in die Wahlen führen durfte.

Die Zeichen stehen bei den Grünen jetzt klar auf Regierungsbeteiligung, das haben sie immerhin erreicht. Es wäre die Rückkehr der Ökopartei an den Kabinettstisch nach 16 Jahren Abstinenz. Weder Olaf Scholz und seine SPD noch Armin Laschet und seine Union kommen an den Grünen (und den Liberalen) vorbei, wenn sie jetzt den Versuch unternehmen, eine Koalition jenseits der Groko auf die Beine zu stellen.

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Die Grünen sind also nun einer von zwei Königsmachern. Sehr wichtig für ihre Verhandlungsposition ist der Umstand, dass sie am Ende vor der FDP auf Platz drei liegen. Bereits im Wahlkampf hatte Baerbock deutlich gemacht, dass sie am liebsten in einem Bündnis mit der SPD regieren würde. Selbst in der eigenen Partei gibt es dafür aber keinen Automatismus: Einflussreiche Grüne – insbesondere aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg – könnten auch einer Koalition unter Führung der Union einiges abgewinnen.

Am Ende dürfte es darauf ankommen, in welcher Formation die Ökopartei inhaltlich am meisten herausholen kann, insbesondere bei ihrem Herzensthema Klimaschutz. Vor der Parteiführung liegen aber nicht nur anstrengende Sondierungen und Koalitionsverhandlungen. Sie wird auch sehr stark nach innen arbeiten und der Parteibasis vermitteln müssen, dass in einer Koalition mit drei Partnern immer sehr weitgehende Kompromisse notwendig sind.

Für Ministerposten intern gesetzt

Und es wird bei den Grünen in der kommenden Zeit auch unfreundliche Dinge zu besprechen geben. Die Debatte darüber, ob die Partei mit einem Kanzlerkandidaten Habeck besser gefahren wäre, wird intern längst geführt. Kurz nach Baerbocks Nominierung im Frühjahr erreichten die Grünen in den Umfragen zeitweise 28 Prozent und lagen damit deutlich vor der Union. Doch dann begannen Debatten über die Studienleistungen der Kandidatin, über nachgemeldete Nebeneinkünfte und abgekupferte Passagen in ihrem Buch. All das kratzte an Baerbocks Ansehen. Viele Fehler wären vermeidbar gewesen, die Krisenkommunikation war nicht immer auf der Höhe der Zeit.

Sollte es jetzt nach der Wahl zu einer Regierungsbeteiligung kommen, gelten Baerbock und Habeck als gesetzt für Ministerämter. Ihr wird Interesse an einem großen Klimaministerium nachgesagt, er soll mit dem Finanzressort liebäugeln. Ihre Posten als Parteivorsitzende werden sie bei einem Wechsel ins Kabinett zur Verfügung stellen.